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Waldstadt

Waldstadt

Titel: Waldstadt
Autoren: B Leix
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man am besten nachts im Wald einen Radfahrer, ohne dabei aufzufallen?
    Er wurde sich immer sicherer. Eigentlich war es ihm schon die ganze Zeit klar gewesen. Radfahrender Mörder verfolgt radfahrendes Opfer. Unauffälliger ginge es kaum.
    »Hallo, Herr Lindt!« Ein junger Mann legte eine meterlange Bremsspur hin und brachte mit gekonntem Schwung sein Mountainbike direkt vor dem Knie des Kommissars zum Stehen.
    Er schob seine Sonnenbrille nach oben ins Haar. »Da lässt es sich aushalten!«
    Lindt erkannte ihn gleich. Seit knapp zwei Jahren wohnten sie in der Waldstadt unter demselben Dach. Carla und Oskar Lindt im ersten Stock, er ganz oben in einer engen Zwei-Zimmer-Wohnung.
    »Sie kommen sicher gerade von Ihrer Schule«, mutmaßte der Kommissar. Gelegentlich wechselten sie ein paar Worte im Treppenhaus und so wusste Lindt, dass er in der Neureuter Realschule Biologie und Sport unterrichtete. Der Lehrer nickte mit gequältem Gesichtsausdruck: »Heut Nachmittag haben mir es die Neuner nicht gerade leicht gemacht. Eigentlich ganz interessant, dachte ich mir, so eine Projektarbeit über das Innenleben eines Ameisenhaufens, aber …« Er legte die Stirn in Falten und schüttelte den Kopf. »Vielleicht war es einfach zu warm.«
    »Und in einem schwierigen Alter sind die halt auch«, lächelte Lindt versonnen. »Wenn ich da an meine Töchter zurückdenke … oh je …«
    »Ja, ja, mit einer Party am Baggersee kann der Biounterricht halt nicht konkurrieren.«
    Lindt sah ihm nach, wie er kräftig in die Pedale trat und seinen Frust an den staubigen Wegen des Hardtwaldes ausließ.
     
    Auch der Kommissar schwang sich wieder in den Sattel und erreichte bald sein Ziel.
    »Nein, ich möchte keinen Draht kaufen, nur anschauen.« Die ältere Verkäuferin in der stahlblauen Kittelschürze sagte erst mal nichts.
    »Verzinkt müsste er sein, verzinkt und doch ganz biegsam.«
    Sie schaute ihn schief an: »Ja wie, jetzt wollen Sie doch was kaufen?«
    »Nein, nein, aber anfassen vielleicht. Spüren, wie er sich anfühlt.«
    »Also bitte!« Die Frau hinter der Theke fühlte sich offensichtlich verschaukelt. Unterhalb ihrer grauen Kurzhaarfrisur registrierte Lindt eine zunehmende Rotfärbung.
    »Ich muss wissen, mit welchem Draht man am besten ...« Er beschrieb mit seinem Zeigefinger einen eindeutigen Kreis um den Hals.
    Jetzt war es mit ihrer Fassung endgültig vorbei. »Was«, kreischte sie im höchsten Kirchenchor-Sopran, »was wollen Sie? Einen Draht, zum sich uffhänge? Ha, da nimmt man doch einen Strick!« Sie stutzte: »Aber wenn ich mirs recht überleg, der Dings, na, so ein alter Bauer aus Eggenstein, der hat vor zwei Jahr einfach ein Stück Weidedraht von seinen Rindviechern genommen, das hat auch funktioniert.« Erschreckt schlug sie sich die Hände vor den Mund, denn vier Kundinnen schauten völlig perplex aus der Haushaltswarenabteilung herüber.
    Schleunigst fingerte Oskar Lindt seinen Dienstausweis aus der Gesäßtasche. »Kripo Karlsruhe, Mordkommission.«
    Schlagartig entfärbte sich die Verkäuferin wieder. Sie wurde blass, dass ein Kreislaufkollaps unmittelbar bevorzustehen schien.
    »Vielleicht haben sie es gehört oder gelesen«, beugte sich Lindt über die Ladentheke und flüsterte fast schon, »der Student, der nachts ermordet worden ist, drüben bei der Waldstadt.«
    Ihre Augen wurden größer und größer: »Mit einem Draht von … von uns?«
    »Nein, keinesfalls«, versuchte der Kommissar sie zu beschwichtigen. »Wir wissen nur, dass es ein Draht war – und verzinkt. Deshalb wollte ich mal schauen, was es da so gibt.«
    Wortlos zeigte die Frau nach hinten: »Da im Lager, zweite Regalreihe. Aber ich, ich komm nicht mit!« Laut aufstöhnend ließ sie sich auf einen Stuhl fallen. »Das ist mir doch zuviel.«
    Oskar Lindt verschwand schleunigst zwischen den Regalen mit Schrauben, Nägeln, Türbeschlägen und Dübeln. Bald hatte er gefunden, was er suchte.
    Große Rollen mit Drähten in den unterschiedlichsten Dicken und den verschiedensten Metallen waren am Boden aufgestapelt, dünnere Ware lag auf kleinere Haspeln gewickelt im Regal und in mehreren Kunststoffboxen lagerte schließlich der ganz feine Bindedraht, wie ihn die Floristen benutzten.
    Er überlegte. Vielleicht könnte die Gerichtsmedizin das verwendete Material noch etwas genauer bestimmen, wenn sie verschiedene Drähte zur Auswahl hätte.
    Er ging zurück zur Ladentheke. »Ob ich vielleicht ein paar Probestücke …?«
    Die Verkäuferin saß immer noch
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