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Waldesruh

Waldesruh

Titel: Waldesruh
Autoren: Susanne Mischke
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Menschen. Auf jeden Fall verabscheut sie Vereine und so etwas. Sie ist . . .«, Janna unterbrach sich und schluckte hörbar, ». . . sie war eine echte Einzelgängerin.«
    »Und hier kommt auch keiner zufällig vorbei«, ergänzte Marie. »Höchstens einmal Radfahrer oder Hundespaziergänger, aber mit denen hat sie sich nie unterhalten.«
    Emily nickte. Das nächste Dorf lag zwei Kilometer entfernt. Nur mit dem Fernglas konnte man von den oberen Fenstern erkennen, wie spät es auf der Kirchturmuhr war.
    Aber trotzdem – der Plan schien ihr völlig unmöglich.
    Überhaupt – das war doch gar kein Plan.
    Das war schlichtweg verrückt!
    »Sagt mal, wollen wir nicht ins Haus gehen?«, begann sie vorsichtig. »Dann könnt ihr noch einmal in Ruhe über die Sache nachdenken und vielleicht meine Eltern anrufen...«
    »Na klar«, fauchte Janna plötzlich hasserfüllt. »Das ist das Einzige, auf das die Prinzessin kommt, oder? Papi und Mami holen. Hast du überhaupt einen Schimmer, wie es in einem Heim abgeht? Weißt du, wie es ist, auf sich allein gestellt zu sein, ganz allein?« Sie keuchte richtig. »Überhaupt, warum musstest du ausgerechnet heute hier auftauchen?« Sie wandte sich an Marie. »Sie wird alles petzen«, sagte sie verzweifelt.
    Normalerweise hätte Jannas Angriff einschüchternd auf Emily gewirkt. Aber die letzten Minuten hatten etwas in ihr verändert.
    »Werde ich nicht«, sagte sie mit einer Entschlossenheit, über die sie sich selbst wunderte. »Von mir erfährt niemand ein Sterbenswort, das schwöre ich. Ich...ich werde euch helfen, wo immer es geht.«
    Nein, sie wollte nicht, dass Marie oder Janna oder Moritz in ein Kinderheim kamen oder zu einer Pflegefamilie in einer an deren Stadt. Marie war ihre Freundin und sie würde sie nicht im Stich lassen.
    »Dann tu’s«, sagte Marie leise.
    »Was?«
    »Schwören.«
    Emily hob die Hand. »Ich schwöre, dass ich keinem Menschen vom Tod eurer Großmutter erzählen werde«, sagte sie feierlich.
    Marie blickte sie an und nickte. »Danke«, sagte sie.
    Janna hatte sich wieder etwas gefangen. »Okay«, entschied sie mürrisch. »Aber ich warne dich...«
    Marie schüttelte den Kopf. »Reg dich ab. Emily ist nicht das Problem, auf die ist Verlass. Aber wir haben etwas vergessen: Moritz.«
    Janna zögerte. »Du hast recht. Wir müssen ihm klarmachen, was es bedeutet, in einem Heim zu leben, kein Zuhause zu haben, keinen Platz, an dem man mal ungestört ist«, sagte sie. »Er muss begreifen, was auf dem Spiel steht, damit er den Mund hält.« Sie holte tief Luft. »Es sind nur zwei Jahre. Wenn wir die durchhalten, bis ich achtzehn bin, dann kann ich vielleicht das Sorgerecht für dich und Moritz bekommen.«
    »Da wäre aber noch eine Sache.« Marie sah Janna ernst an. »Was machen wir mit Oma?«
    Wieder herrschte für ein paar Augenblicke Schweigen.
    »Wir müssen sie beerdigen«, sagte Janna schließlich.
    »Wo?«, meinte Emily, der sich bei dieser Vorstellung die Nackenhaare sträubten.
    »Drüben, im Wäldchen«, schlug Marie vor. »Heute Nacht.«
    »Du kannst doch Oma nicht einfach wie einen toten Hund im Wald verscharren!« Plötzlich klang Janna völlig ernüchtert.
    »Hast du eine bessere Idee?«, gab Marie zurück. »Und was heißt schon verscharren? Wir müssen ihr eben ein richtiges, tiefes Grab schaufeln, so wie sie das auch auf dem Friedhof machen. Nur im Wald. Oma war immer gern im Wald, das weißt du! Sie mochte keine Friedhöfe, das hat sie oft gesagt. Sie wird uns das nicht übel nehmen – schließlich machen wir das ja nicht zum Spaß.«
    »Und wie wollen wir das hinkriegen, ohne schweres Gerät?« Ihre Schwester schüttelte den Kopf.
    Marie hob die Arme: »Was weiß ich? Früher, als es noch keine Bagger gab, haben die Menschen ihre Toten ja auch irgendwie beerdigt. Wir müssen uns eben anstrengen. Wenn es sein muss, die ganze Nacht.«
    »Was ist mit einem Sarg?«, fragte nun Emily und wurde sich im selben Moment bewusst, dass das eine dämliche Frage gewesen war. Aber die Vorstellung, die tote Frau Holtkamp bei Nacht im Wäldchen zu bestatten, verursachte ihr eine Gänsehaut.
    »Moslems begraben ihre Toten auch nur mit einem Tuch«, entgegnete Janna. Sie seufzte schwer. Für einen Moment streifte sie die Rolle der älteren Schwester ab und sah Marie Hilfe suchend an. »Und du glaubst wirklich, dass das geht? Ich meine – dürfen wir das tatsächlich tun?«
    »Es muss gehen«, antwortete Marie. »Das, oder wir müssen alle drei ins Heim. Und das
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