Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wächterin der Träume

Wächterin der Träume

Titel: Wächterin der Träume
Autoren: Kathryn Smith
Vom Netzwerk:
Scheidung nie im Stich lassen würde. Das hätte sein ritterlicher Beschützerinstinkt gar nicht zugelassen.
    Ich war wirklich ein schrecklicher Mensch – eifersüchtig auf eine Frau, die das Schlimmste durchgemacht hatte, was ihr zustoßen konnte.
    Doch als ich aus dem Aufzug trat und den neonerleuchteten Flur entlanglief, in dem es nach Desinfektionsmitteln roch, dachte ich nicht mehr über meine alberne Eifersucht nach. Ich hatte Angst um Amanda. Gleich darauf entdeckte ich Noah beim Schwesternzimmer.
    Noah Clarke war so groß, dass ich mit meinen fast ein Meter achtzig hochblicken musste, um in seine dunklen Augen schauen zu können. Seine Haare und Augen waren fast schwarz, nur unter bestimmten Lichtverhältnissen zeigten sie einen bräunlichen Schimmer. Seine Haut war goldbraun, und im Augenblick wurde sein Kinn von dunklen Bartstoppeln bedeckt. Er trug eine braune Lederjacke, ein T-Shirt, Jeans und Stiefel und sah müde aus – aber ich fand ihn trotzdem umwerfend.
    Noah schien froh, mich zu sehen, was ich unter den gegebenen Umständen als gutes Zeichen deutete.
    Ich ging auf ihn zu. Gleichzeitig näherte er sich mir. Es war fast wie im Film. Ich beschleunigte meine Schritte, bis ich beinahe rannte. Was sollte ich bloß sagen? Wie sollte ich mich verhalten?
    Glücklicherweise nahm mir Noah die Entscheidung ab. Als ich bei ihm ankam, schloss er mich in die Arme – wunderbar starke Arme –, drückte mich fest an seine Brust und vergrub das Gesicht in meinem Haar. Das war zwar nicht der Kuss, den ich mir für seine Rückkehr ausgemalt hatte, aber mindestens genauso schön.
    »Es tut so gut, dich wiederzusehen, Doc«, murmelte er, während sein warmer, süßwürziger Duft mein Blut in Wallung brachte.
    Ich erwiderte die Umarmung und genoss es, seinen festen Körper zu berühren. Ich mochte mir vielleicht nicht sicher sein, wie sich unsere Beziehung entwickeln würde, doch was ich mir wünschte, wusste ich genau.
    »Wie geht’s Amanda?«, fragte ich.
    »Nicht besonders gut«, erwiderte er und hob den Kopf. »Ich warte auf die Ärztin.«
    »Du hast noch nicht mit ihr gesprochen?«
    »Nein. Ich erhielt den Anruf heute Morgen und habe den ersten Flug von L. A. genommen, den ich kriegen konnte.«
    Es war zehn Uhr abends. Er musste sich wie verrückt abgemüht haben, zurückzukommen. Aber immerhin gab es drei Flughäfen in New York, was die Chance, schnell einen Flug zu erhalten, erhöhte.
    »Ist ihre Familie hier?«, fragte ich, während wir den Flur hinuntergingen.
    »Mandy wollte nicht, dass sie benachrichtigt werden, bevor ich hier bin. Sie möchte vermutlich, dass ich sie in Schach halte.«
    Das war eine merkwürdige Wortwahl. »Muss man ihre Familie
in Schach halten?
« Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sich Eltern falsch benahmen, wenn ihr Kind sie wirklich brauchte.
    »Ihre Mutter ist sehr … emotional.« Noah legte die Stirn in Falten, als dächte er an etwas Unerfreuliches.
    Mit einem Seitenblick registrierte ich seinen angespannten Gesichtsausdruck. »Wie fühlst du dich?«
    Er drückte meine Hand und schenkte mir ein kleines, aber liebevolles Lächeln. »Mach dir um mich keine Sorgen, Doc.«
    Das war nicht gerade eine beruhigende Antwort, und ich kannte Noah gut genug, um zu wissen, dass er sich sehr beherrschen musste. Er war eigentlich ein ausgeglichener Mensch, doch Gewalt gegen Frauen konnte ihn auf die Palme bringen, da er in seiner Kindheit mit ansehen musste, wie sein Vater seine Mutter schlug. Bestimmt kamen in ihm jetzt alte Erinnerungen an die unzähligen Krankenhausbesuche hoch, bei denen seine Mutter den Ärzten immer wieder erzählt hatte, sie sei die Treppe hinuntergefallen oder gegen eine Tür gerannt.
    Eine hochgewachsene Frau mit ergrautem, ordentlich hochgestecktem Haar erwartete uns an der Tür zum Stationszimmer. »Mr Clarke? Ich bin Dr. Van Owen.«
    Noah hielt meine Hand mit der linken und reichte der Ärztin die rechte Hand. »Wie geht es Amanda?«
    Dr. Van Owen warf mir einen Blick zu, als wollte sie in meiner Gegenwart nur ungern etwas sagen.
    Noah stellte uns vor. »Miss Riley ist Psychologin.«
    Offensichtlich war dies eine zufriedenstellende Erklärung, denn Dr. Van Owen wandte sich nun abwechselnd an uns beide. »Ihre Frau hat einige recht schwere Verletzungen erlitten, Mr Clarke. Ich denke, es ist vernünftig, sie einige Tage hierzubehalten.«
    Mit Mühe versuchte ich zu ignorieren, dass er die Formulierung »Ihre Frau« nicht verbessert hatte. Ich hätte mich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher