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Wächterin der Träume

Wächterin der Träume

Titel: Wächterin der Träume
Autoren: Kathryn Smith
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Bett saß. Mein Handy lag auf einem der Kissen und spielte
Pour Some Sugar on Me
von Def Leppard, den Klingelton, den ich für Noah gewählt hatte. Rührselig, ich weiß. Sogar kitschig. Aber mir gefiel es.
    »Hallo?« Als hätte ich nicht gewusst, wer dran war.
    »Hey, Doc.«
    Seine Stimme jagte mir einen Schauer über den Rücken. Tief, klangvoll und unbeschreiblich sexy. Noah Clarke war mein Freund. Er war zunächst nur regelmäßig Patient in dem Schlafzentrum gewesen, in dem ich arbeitete. Doch dann, als ein Traumdämon es darauf abgesehen hatte, uns beide zu vernichten, mussten wir uns eingestehen, wie sehr wir uns zueinander hingezogen fühlten. Aber das war eine lange Geschichte. »Selber hey. Wie steht’s in L. A.?«
    »Da bin ich nicht mehr.«
    Als er nicht sofort weitersprach – Noah konnte zuweilen sehr wortkarg sein –, drängte ich: »Ach nein? Wo bist du dann?«
    »Im St. Vincent’s.«
    »Im Krankenhaus?«
    »Ja.« Es war kaum in mein Bewusstsein gedrungen, dass er wieder in der Stadt war, da fügte er schon hinzu: »Ich bin hier bei Amanda.«
    Amanda war seine Exfrau, und ich muss zugeben, dass meine erste Reaktion nicht etwa Sorge, sondern Eifersucht war. Aber ich konnte es gut verbergen. »Was ist passiert?«
    Am anderen Ende entstand eine Pause. Dann sagte Noah: »Sie wurde vergewaltigt.«
    O Gott. Meine Eifersucht verflog auf der Stelle, und ich schämte mich für meine Gedanken. »Kann ich irgendetwas tun?«
    Wieder zögerte er, als wüsste er nicht, was er sagen sollte. »Kannst du herkommen?«
    Seine Stimme verriet mir, wie viel Überwindung es ihn kostete, mich um diesen Gefallen zu bitten.
    »Ich bin gleich da.«
     
    In Rekordzeit war ich im Krankenhaus. Unterwegs versuchte ich unablässig, mir vor Augen zu halten, wie schrecklich das alles war, um nicht wieder in kleinliche Eifersucht, Unsicherheit und Selbstzweifel zu verfallen. Na gut, vielleicht war auch ein bisschen Ärger dabei, aber wenn ich das zugebe, stehe ich noch schlechter da, nicht wahr? Ich meine, wenn es um Gefühle und menschliche Verhaltensweisen geht, sollte ich eigentlich eine neutrale Haltung einnehmen. Ich bin nämlich Psychologin und habe das an der Uni gelernt.
    Und normalerweise gelingt mir das auch – in meinem Beruf. Ich unterstütze Menschen dabei, mit Hilfe ihrer Träume ihr Leben in den Griff zu bekommen. Ich leite sie an, geistig und emotional gesünder zu werden. Aber wenn es um mein eigenes Leben geht, bin ich bei weitem nicht so geschickt. Daran muss ich noch arbeiten.
    Es war selbstverständlich, dass Noah Amanda trotz ihrer Trennung nach solch einem schrecklichen Vorfall beistehen wollte. Anderenfalls wäre er nicht der Mann gewesen, für den ich ihn hielt. Und ich bin mir sicher, es gab auch gute Gründe dafür, dass Amanda ihn noch immer als ihren nächsten Angehörigen angab, obwohl ihre Scheidung schon längst rechtskräftig war und Amandas Eltern in derselben Stadt wohnten.
    Um es kurz zu machen: Noah und Amanda hatten sich scheiden lassen, nachdem sie ihn betrogen hatte. Anscheinend war auch vorher schon einiges in ihrer Beziehung schiefgelaufen. Ich lernte Noah kennen, als er an einer Schlafstudie am MacCallum-Institut teilnahm. Zu dem Zeitpunkt hatte ich dort eine untergeordnete Stellung und führte einfache Routine-Forschungsarbeiten durch. Parallel versuchte ich, mir eine eigene Praxis aufzubauen. Ich wollte mich auf Traumtherapie spezialisieren. Überrascht Sie das?
    Es gelang mir, eine rein berufliche Beziehung zu Noah aufrechtzuerhalten, bis Karatos – der Traumdämon – beschloss, Noah, der ein starker luzider Träumer ist, in sein Reich hinüberzuholen. Karatos war mit den Feinden meines Vaters verbündet, die mich schamlos benutzten, um an Morpheus heranzukommen. Also entschloss sich Karatos, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen – nämlich Noah und mich. Aber gemeinsam besiegten wir ihn.
    Durch Karatos Übergriffe fand Noah die Wahrheit über mich heraus. Als Künstler gewann er viele seiner Inspirationen aus Träumen. Deshalb hing in seinem Schlafzimmer auch ein Gemälde mit dem Titel »Der Nachtmahr« von mir. In dieser bedrohlichen Zeit war Noah mein Fels in der Brandung gewesen.
    Ich wusste nicht genau, in welche Richtung sich meine Beziehung zu Noah entwickeln würde und ob wir überhaupt eine Zukunft hatten, aber ich mochte ihn so sehr, dass ich ihn nicht kampflos aufgeben wollte. Gleichzeitig kannte ich ihn gut genug, um zu wissen, dass er Amanda trotz der
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