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Wachkoma

Wachkoma

Titel: Wachkoma
Autoren: Jasmin P. Meranius
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weg, schien alles anders zu sein. Sie wusste schon, weshalb sie Veränderungen so verabscheute.
    Auch der Herbst veränderte sich.
    Die bauchigen Ahornbäume auf dem weitläufigen Anwesen verloren immer mehr an Fülle und allmählich dominierten die spitzen Tannen das Bild.
    Beata spazierte regelmäßig durch das Anwesen.
    Immer alleine.
    Vor dem Haupteingang bog sie in den schmalen Kieselsteinweg ein, der hinter das Haus führte. Dort befand sich in ein paar Hundert Metern Entfernung ein See mit Anlegesteg.
    Ein kleines, rotes Boot wiegte sich dort wie eine Nussschale auf den Wellen hin und her. Beata beobachtete es manchmal vom Esstisch aus, während sie auf den nächsten Gang wartete.
    Zu Hause ging sie eher selten spazieren. Dabei lebte sie in einem sehr grünen Teil von Frankfurt, mit vielen Parks.
    Nachdem sie vor drei Jahren in ihr Penthouse gezogen war, lief sie manchmal durch den Park, wenn sie zum Einkauf wollte.
    Die Maklerin hatte ihr diesen Park bei der Wohnungsbesichtigung schließlich als eine grüne Oase in Laufnähe geradezu mit verkauft.
    Dennoch stieg Beata nach kürzester Zeit wieder auf die U-Bahn um. Schließlich war es auch die gute U-Bahn-Anbindung, die ihre Wahl auf diese Wohnung hatte fallen lassen, und nicht der Park in Laufnähe.
    Hier war das jedoch anders.
    Sie spazierte gerne durch das Anwesen, besonders, wenn die Dämmerung einsetzte und der Himmel sich langsam einzufärben begann. Seine Farben schienen Beata hier viel intensiver zu sein als sonst wo.
    Die zwei vorangegangenen Abende hatte Beata mit einer Decke draußen gesessen, auf einer alten Hollywoodschaukel, die aussah, als ob sie schon bessere Tage erlebt hätte. Silvester hatte ihr die Decke gebracht mit den Worten: „Der Herbst geht vorüber.“
    Die Farben des Herbstes waren vergänglich. Was sollte man aber auch anderes von einer Umbruchsjahreszeit erwarten? Sie hatte schließlich nur die Aufgabe, den Sommer zu verabschieden und auf den Winter vorzubereiten.
    Beata hatte im Herbst Geburtstag.
    Erst vor ein paar Wochen war sie für diesen Anlass wieder beim Friseur gewesen und hatte sich das volle Programm gegönnt.
    Ihr Friseur sagte immer, sie sei ein typischer Herbsttyp. Was auch immer damit gemeint war – Beata war sich nie ganz sicher, ob er das wirklich nur auf ihre dunkelbraunen Haare zurückführte.
    Auf die Dürre war sie glücklicherweise nicht mehr gestoßen. Etwas seltsam war sie ja schon.
    Ob sie wohl eine Art Persönlichkeitsstörung hatte?
    Doch was machte sie sich darüber Gedanken. Es interessierte sie nicht einmal wirklich, denn sie hatte zu dieser Zeit genug mit sich selbst zu tun. Trotz der anhaltenden Ruhe verspürte sie nämlich eine zunehmende Unruhe in sich aufsteigen. Ruhe war schließlich völlig neu für sie.
    Wenn sie abends manchmal als Letzte das Licht im Büro ausschaltete, konnte sie kaum glauben, dass sie es vor mehr als zwölf Stunden eingeschaltet haben sollte. Es waren gefühlte fünf Stunden. Hier aber fühlten sich fünf Stunden wie zwölf an, als gälten andere Gesetze. Zeit war auf einmal kein knappes Gut mehr, im Gegenteil: Sie hatte so viel Zeit, dass sie schon gar nicht mehr wusste, wie es sich anfühlte, keine Zeit zu haben.
    Als sie und Silvester sich das nächste Mal unterhielten, erzählte sie ihm von ihrer inneren Unruhe und fragte nach einer Beschäftigung für sich.
    „Ohne eine Beschäftigung werde ich diesen Aufenthalt hier nicht hinter mich bringen können.“
    Silvester lächelte nur.
    Er hatte eine besondere Art zu lächeln. Beata war das schon bei ihrer ersten Begegnung aufgefallen. Es war einso herzliches Lächeln, wie man es lediglich selten sah. Sicherlich lag das an seinen markanten Falten, die Beata bei genauerer Betrachtung sogar ein wenig attraktiv fand.
    „In unserem kleinen Ladengeschäft kann man selbst gemachte Grußkarten erwerben. Gäste oder auch Spaziergänger kaufen sie sehr gerne. Sicherlich könnten Sie beim Schreiben und Gestalten der Karten mitwirken“, schlug Silvester ihr schließlich vor.
    Beata dachte eigentlich an etwas Anspruchsvolleres und hätte lieber mal einen Blick auf die Produktstrategie geworfen, was sie eine Nuance zu überheblich antworten ließ: „Ich kann ja mal schauen, inwiefern ich mich dort einbringen kann.“
    Dabei dachte sie sich insgeheim, dass alles immer noch besser war, als nichts zu tun.
    Was auch immer sie erwarten sollte, gleich am nächsten Tag würde sie es in Angriff nehmen.
    ***

Am Folgetag betrat Beata einen
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