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Wachkoma

Wachkoma

Titel: Wachkoma
Autoren: Jasmin P. Meranius
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einem weitläufigen Naturschutzgebiet mit vielen Seen. Sie vermutete, irgendwo in Mecklenburg-Vorpommern, konnte sich aber auch verhört haben.
    Es gab sogenannte Energietage, an denen Tiefenentspannung durch Heubäder und anderes angeboten wurde. Aber auch Workshops zum Thema „Zeitmanagement“ und „Life-Work-Balance“ wurden ihr von Silvester wärmstens empfohlen.
    „Ansonsten“, sagte Silvester, „können Sie natürlich ganztägig den Wellnessbereich zur Entspannung und Revitalisierung nutzen.“
    Beata zeigte gekonnt eine gute Miene zum bösen Spiel.
    Und brachte diese mit ihrem schönsten Lächeln zum Ausdruck.
    ***

Am Frühstückstisch in einem Kaminzimmer mit großer Veranda ließ Beata kurz darauf erst einmal unauffällig ihren Blick durch die Tischreihen gleiten.
    Sie saß alleine an einem von sechs Tischen, die alle hübsch mit edlem und verspieltem Blumenmuster dekorierten Porzellan eingedeckt waren.
    Es gab also noch mehr Menschen, die wie sie über ihre körperlichen Grenzen hinausgegangen waren, dachte Beata beim Anblick der anderen Gäste, die allesamt ein wenig älter als sie zu sein schienen.
    Beata sah plötzlich, wie eine dürre, junge Frau das Kaminzimmer betrat. Sie war vielleicht Anfang dreißig oder Ende zwanzig, auffallend schlank und hatte langes, blondes Haar, welches sie offen über ihre Schultern trug.
    Beata konnte den Blick nicht von der jungen Frau abwenden, bemühte sich auch nicht darum, denn die Frau starrte beim Gehen nur abwesend auf den Boden vor sich – bis sie überraschend bei Beata am Tisch stoppte und Platz nahm, ohne zu fragen oder sich vorzustellen.
    „Man sagte mir, dieser Tisch sei frei“, griff Beata blitzschnell vorweg. „Also ging ich auch davon aus, dass niemand sonst hier sitzen würde. Ich habe offen gesagt auch keine großen Ambitionen, eine Konversation zu führen. Sicherlich haben Sie Verständnis dafür.“
    Die dürre Frau blickte Beata mit ihren großen, auffallend blauen Augen an, die so dunkel waren wie das Meer an seiner tiefsten Stelle.
    Flüsternd sprach sie schließlich, ohne auf Beatas Ansage einzugehen: „Aber bist du nicht erschöpft nachdiesem Wettlauf? Ohne vom Fleck zu kommen? Nichts bewegt sich mehr. Und doch bist du wie eine aufgescheuchte Maus, die in einer Sackgasse um ihr Leben läuft. Mit dem Blick in eine andere Richtung gerichtet, als möchtest du gar nicht sein, wo es dich hintreibt!“
    Was hatte dieses dürre Mädchen da gerade zu ihr gesagt?
    Beata glaubte, im falschen Film zu sein.
    „Ohne vom Fleck zu kommen.“
    Nie stand irgendetwas still in ihrem Leben, denn immer hatte sie Ziele vor Augen, die sie konsequent und erfolgreich verfolgte. Was bildete sich diese Dürre ein, so mit ihr zu sprechen?
    Doch noch bevor Beata auf diese Frechheit reagieren konnte, legte auch schon der Mann von heute Morgen seine Hand auf ihre Schultern, als wollte er sie beruhigen.
    Die Dürre stand währenddessen auf und verließ wortlos das Kaminzimmer. Der Szenenwechsel ging Beata allerdings eindeutig zu schnell.
    „Verzeihen Sie ihr diesen Übergriff, aber sie weiß manch-mal nicht, was sie sagt“, erklärte Silvester schließlich, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war.
    „Dann sollte sie besser gar nichts sagen! Ist sie immer so distanzlos?“, rief Beata energisch. „Das war ja wohl eine ziemliche Unverfrorenheit.“
    „Bitte beruhigen Sie sich wieder. Sie ist schon sehr lange bei uns. Irgendwie möchte sie nicht so recht zurück in ihr altes Leben, ist wie hin- und hergerissen und normalerweise sehr verschlossen und eher scheu. Ich denke nicht, dass sie Sie so schnell noch mal konfrontieren wird.“
    Ohne Beatas Reaktion abzuwarten, legte er erneut für einen kurzen Moment seine Hand auf ihre Schultern und ging schließlich.
    Beata klangen die Worte, sie sei „schon länger hier“ und sie werde sie „so schnell nicht mehr konfrontieren“ noch einen Moment nach. Schließlich hatte sie nicht vor, länger zu bleiben, darüber war sich Beata im Klaren.
    Nur, was bitte meinte Silvester mit „Sie konfrontieren“?
    ***

In der ersten Woche verging die Zeit nur sehr schleppend. Beata hatte alles ausprobiert, was dieses Anwesen an Aktivitäten bereithielt: Von Sauna und Pilates bis hin zu Workshops zum Thema „Wie teile ich mir meine Zeit effizienter ein?“.
    Doch sie musste immer häufiger ans Büro denken. Dort konnte sie schon seit Tagen niemanden erreichen und auch bei ihrer Mutter lief nur der Anrufbeantworter.
    Kaum war man
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