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VT11 - Flammender Himmel

VT11 - Flammender Himmel

Titel: VT11 - Flammender Himmel
Autoren: Claudia Kern und Stephanie Seidel
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waren die Frakken, die ihn umschwirrten, bekrabbelten und zu beißen versuchten. Jedes halbe Jahr überquerte der gigantische Schwarm der Heuschrecken in einem breiten Korridor die Mitte des Landes, und egal ob Korn, Mensch oder Gerul: Worauf sie landen konnten, das wurde gefressen. Schnell, systematisch, komplett. Wer einmal dabei gewesen war, wenn das Knistern Myriaden zarter Flügel die Luft erfüllt – Stunde um Stunde, ohne Platz zu lassen für irgendein anderes Geräusch –, der gab sich nie wieder der Illusion hin, den Insekten überlegen zu sein.
    Die Vögel haben uns gerettet! Ngomane warf einen Blick auf seine schwarz gefiederten Begleiter. Es waren Krähen aus der Bergregion, die pünktlich zum Eintreffen der Frakken ins Flachland gezogen waren und sich voll fraßen, als stünde der härteste aller Winter vor der Tür.
    Pick, pick, pick ging es überall emsig zwischen Getreidestoppeln und auf den Feldwegen. Manchmal hüpften die großen Vögel bei der Jagd nach einer besonders fetten Beute Ngomane direkt vor die Füße. Doch er nahm es ihnen nicht übel.
    Er dachte daran, wie lebensbedrohlich die Situation für ihn geworden war, als die Frakken kamen und er feststellen musste, dass es im Dorf keinen einzigen sicheren Unterschlupf gab. Da waren nur die Scheiterhaufen gewesen; haushohe Berge aus verbranntem Holz und verbrannten Menschen. Ngomane hatte sich mit Nandi darin eingegraben, und wenn die Vögel ihm nicht die Flucht ermöglicht hätten, säße er jetzt noch immer dort – im grausigen Schutz der Toten von Kilmalie.
    Der Wald kam in Sicht, und Ngomane atmete auf. Unter den Bäumen war er in Sicherheit, dorthin würden ihm die Frakken nicht folgen.
    Ngomane hatte Wunden an den Armen vom gestrigen Jagdausflug: tiefe Striemen, die ein wütender Lepaad gerissen hatte. Das verkrustete Blut schien die Frakken magisch anzuziehen. Wenn er sich nicht wehrte, würden sie sich bis an sein Fleisch vorarbeiten und es fressen.
    Verfluchte Plage! Ngomane nahm noch einmal alle Kraft zusammen und rannte den rettenden Bäumen entgegen, das Kind auf dem Rücken und von Frakken übersät, denen wiederum die wenig zimperlichen Krähen folgten. Er musste aufpassen, dass ihn kein Schnabelhieb traf, musste die Insekten von seinen schmerzenden Wunden abstreifen und zusehen, dass er bei alldem noch Luft bekam. Nandi hatte ihre Arme um seinen Hals geschlungen, hielt sich fest wie eine Ertrinkende. Ngomane lief wie durch rote, pulsierende Nebel.
    Erste Steine bohrten sich in seine Fußsohlen. Gleich war der Wald erreicht! Die grässlichen Bilder von Kilmalie verfolgten Ngomane wie böse Geister, trieben ihn zu übermenschlichen Leistungen an. Er konnte nicht sagen, wie viele Minuten er durch das knisternde, von Vogelschreien begleitete Frakkeninferno gelaufen war; sein Herz hämmerte gegen die Rippen, die Lungen brannten wie Feuer. Schweiß rann über seinen Körper, zog dunkle Bahnen durch die feine graue Staubschicht auf der Haut des Banzulu. Ngomane versuchte nicht daran zu denken, was ihn da umhüllte: die Asche der Toten.
    »Mir ist schlecht«, sagte Nandi plötzlich. Im nächsten Moment floss ein Schwall warmer Flüssigkeit über Ngomanes Schulter und Brust. Stechend säuerlicher Geruch breitete sich aus. Der Banzulu nahm es schweigend hin. Er konnte jetzt nicht anhalten.
    Nur ein kleines Stück noch! Der Feldweg löste sich auf, wurde zur Grasfläche. Weiter vorn standen Jakarandas und Schirmakazien. Wilder Rosmarin blühte, und da waren zwei riesige Umlahbas. Ihre langen weichdornigen Triebe reckten sich Ngomane entgegen wie rettende Arme. Keuchend rannte er zwischen ihnen durch unter das Laubdach des Waldes, taumelte noch ein paar Schritte vorwärts und sank zu Boden.
    Eine Frakke nach der anderen löste sich von Ngomanes Haut, hüpfte fort und schwirrte zurück in den heißen Sonnenschein.
    Der Banzulu-Fürst legte erschöpft einen Arm über die Stirn, lauschte mit geschlossenen Augen auf die Geräusche ringsum. Wind zog durch die Baumkronen. Monkees kreischten im Geäst, irgendwo in der Ferne trompetete ein Wald-Efrant. Manchmal fiel eine Frucht durch die Zweige und landete dumpf auf dem kühlen weichen Teppich aus Farnen und Kräutern.
    Ngomane hörte Nandi neben sich husten. Sie begann zu weinen, und er sagte ruhig: »Du bist in Sicherheit!«
    Etwas knackte. Wie einbrechender morscher Ast.
    Tausend scharfe Speere aus Adrenalin durchschossen Ngomanes Körper, kribbelten in den Fingerspitzen, ließen den Mann alle
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