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VT07 - Niemandes Welt

VT07 - Niemandes Welt

Titel: VT07 - Niemandes Welt
Autoren: Dario Vandis
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wer noch lebt… das Feuer… Vielleicht lebt niemand mehr…«
    »Der Vulkanausbruch, natürlich. Er hat sicherlich viele Opfer gekostet. Schade, denn andernfalls hätten meine Untertanen für einige Zeit frische Nahrung erhalten… Andererseits bin ich gar nicht scharf darauf, dass sie zu viel Nahrung erhalten. Verstehst du, was ich meine? Nein, natürlich nicht…«
    Kinga hielt sich die Ohren zu. Er wünschte sich, dass die Stimme schwieg. Dass sie ihn allein ließ in seiner Trauer. Er wollte mit niemandem mehr sprechen. Er wollte nur noch sterben. Auf der Stelle.
    »Gibt es einen König bei euch?«, erkundigte sich die Stimme. »Jemanden, der die Regierungsgeschäfte führt? So wie ich?«
    »Prinzessin Lourdes!«
    »Oh, eine echte Prinzessin war sie sogar? Da hast du natürlich einen hübschen Fang gemacht, Kinga. Jetzt kann ich deinen Trübsinn verstehen. Nun, da Prinzessin Lourdes offensichtlich nicht mehr unter uns weilt, müssen wir uns auf die nächst höhere Hierarchieebene konzentrieren. Verstehst du, was ich meine, Kinga? Ich benötige den Namen eines Entscheidungsträgers…«
    Entscheidungsträger… Kinga wusste nicht, was das Wort bedeutete.
    »Wer befahl Prinzessin Lourdes, was sie zu tun hat?«, fragte die Stimme ungeduldig.
    »Niemand. Niemand befiehlt der Prinzessin.«
    »Hat sie eine Familie gehabt? Einen erstgeborenen Bruder vielleicht?«
    »Pilatre de Rozier.«
    »Wer ist das?«
    »Kaiser. Kaiser de Rozier. Kaiser über alle Wolkenstädte.«
    »Na, bitte, das war doch gar nicht so schwierig. Wie viele dieser Wolkenstädte gibt es?«
    Kinga überlegte. Bilder huschten durch seinen Kopf. Bilder einer schwebenden Stadt, die an Ballons aufgehängt war. Er hatte davon erzählen hören, aber er wusste nicht viel über diese Städte. Er war doch nur ein armseliger Woormreiter!
    »Nicht viele«, sagte er einfach, weil ihm nichts Besseres einfiel. »Ich bin müde. Kann ich mich jetzt schlafen legen?«
    Die Stimme stieß ein sanftes Lachen aus. »Ja, Kinga«, sagte sie zu seiner Überraschung. »Fürs Erste hast du genug getan. Leg dich schlafen.«
    ***
    ***
    ***
    Das glutflüssige Gestein, das sich wie ein Teppich über die Landschaft rund um die Große Grube gebreitet hatte, war inzwischen erkaltet. Trotzdem lag immer noch der Geruch von Verbranntem in der Luft, und Schwefeldünste waberten über die Vulkanlandschaft. Der Boden war schwarz und warm – viel wärmer, als er angesichts der morgendlichen Kühle hätte sein sollen. Fast wirkte es wie eine Drohung, als sei die Erde um den Berg herum bereit, noch einmal ihre Spalten zu öffnen und das alles verderbende Feuer in den Himmel zu speien. Nabuu versuchte nicht an diese Möglichkeit zu denken, während er den Kriegsminister Wabo Ngaaba, seine zwanzig Soldaten sowie den spitzbärtigen Kommandanten Cris aus Avignon-à-l’Hauteur den schmalen Pfad entlang zum Fuße der Großen Grube führte. Unter der Atemmaske lief Nabuu der Schweiß in Strömen über das Gesicht. Nur mühsam widerstand er dem Impuls, sich die Maske vom Gesicht zu reißen. Einer der Gardisten aus Ngaabas Gefolge hatte vor kurzem diesen Fehler begangen und hatte durch das Einatmen der giftigen Dämpfe, die über der Grube hingen, auf der Stelle das Bewusstsein verloren.
    Der Minister Wabo Ngaaba hatte sofort reagiert, war bei dem Ohnmächtigen niedergekniet und hatte ihm die Maske wieder über den Kopf gestülpt. Beeindruckt registrierte Nabuu, dass Ngaaba sich offenbar nicht zu schade war, selbst dem niedrigsten seiner Gardisten jederzeit persönlich zu Hilfe zu eilen – und dass, obwohl der Glatzkopf mit der Tätowierung eines Wakudastiers auf der Stirn selbst an einer schweren Behinderung litt. Beim Gehen zog er das rechte Bein kaum merklich nach.
    Nabuu hatte erfahren, dass es sich bei dem Bein um eine Prohteese aus Metall handelte, die der Kaiser persönlich für Wabo Ngaaba entwickelt hatte, nachdem dieser sein echtes Bein vor vielen Jahren im Kampf gegen ein Nilross verlor. Nabuu hätte zu gern einmal einen Blick auf dieses Metallbein geworfen. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie man damit laufen konnte, und hoffte, dass Wabos Behinderung sich nicht im entscheidenden Augenblick als Nachteil herausstellen Würde.
    Wabo hatte dem Gardisten, der wieder zu Bewusstsein gekommen war, auf die Beine geholfen, seine Armbrust geschultert und gerufen: »Los, weiter. Je länger wir warten, desto schlechter stehen die Chancen für Prinzessin Lourdes!«
    Prinzessin
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