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Vorn

Titel: Vorn
Autoren: Andreas Bernard
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zusammengekommen waren, hatte am
     Flipper in einer Münchner Kneipe angefangen.
     
    Kurz nach dem Kinobesuch begann Tobias mit einer Geschichte über die Gesetzmäßigkeiten des Flipperspielens, und als er sie
     beendet hatte, saß er mindestens eine Viertelstunde vor seinem Telefon, neben sich die aufgeschlagene Impressums-Seite des
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Magazins, und versuchte sich zu überwinden, in der Redaktion anzurufen. Er hatte unter den Namen im Impressum auch entdeckt,
     dass er eine der Redakteurinnen, Susanne Buchner, aus Erzählungen kannte; sie war auf derselben Schule wie Marius, der Sänger
     von Undone, gewesen. Irgendwann fand Tobias den Mut und wählte die Nummer des Sekretariats, der einzigen Durchwahl, die im
     Heft angegeben war. Die Leitung war besetzt, was ihn noch nervöser machte. Denn der lange regelmäßige Ton des Freizeichens
     hätte ihm vielleicht noch einmal Gelegenheit gegeben, seine Aufregung in den Griff zu bekommen, seinen Atem dem ruhigen Takt
     des Zeichens anzugleichen. Der Besetztton dagegen pochte nur hämisch zurück wie ein Echo seiner Nervosität. Nach ein paar
     Versuchen kam er schließlich durch, und Tobias ließ sich von der
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Sekretärin mit Susanne Buchner verbinden. Er stellte sich kurz vor, erwähnte ihren gemeinsamen Bekannten, an den sich Susanne |14| aber nicht erinnern konnte, und fragte sie, ob sie vielleicht an einem Artikel über das Flippern interessiert sei. Ihre Frage,
     ob er denn als freier Journalist arbeite, bejahte er einfach und war erleichtert, als sie nichts weiter wissen wollte. Tobias
     hatte Glück. Susanne Buchner betreute im
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genau die Rubrik mit dem Titel »Details«, für die er den Artikel gedacht hatte, und sie sagte ihm, er solle ihr das Manuskript
     einfach zuschicken.
     
    Zwei Wochen später, an einem Nachmittag im August, besuchte Tobias zum ersten Mal die Redaktion. Er hatte noch einmal angerufen
     und sich erkundigt, ob das Manuskript auch tatsächlich angekommen war, und am Ende des kurzen Gesprächs hatte ihn Susanne
     in die Büroräume in der Innenstadt eingeladen. Als Tobias das Foyer der Tageszeitung betrat, zu der das
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Magazin gehörte, ging er zum Pförtner und fragte nach dem Büro der Redakteurin. Die umständlichen Vorkehrungen, die nötig
     waren, um den Besucher nach oben zu lassen, verwunderten ihn nicht; sie entsprachen seiner eigenen Scheu, die Schwelle zum
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Kosmos zu überschreiten. »Einen Moment«, sagte der Pförtner, ohne seinen Kopf zu heben, suchte in einem Schnellhefter eine
     Telefonnummer heraus, offenbar Susanne Buchners Durchwahl, und griff zum Hörer. »Da ist jemand für Sie hier unten«, sagte
     er, »ein Herr …« – er bat Tobias, seinen Namen zu nennen –, »ein Herr Lehnert.« Dann nickte er kurz, legte auf und schob Tobias ein Besucherformular
     hin, das er ausfüllen und beim Verlassen des Gebäudes von der Redakteurin unterschrieben abgeben musste. Erst jetzt öffnete
     sich eine niedrige |15| Glastür, und der Pförtner erklärte ihm mit wenigen Worten den Weg in die
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Redaktion.
     
    Mit dem Fahrstuhl fuhr Tobias in den ersten Stock hinauf und stand in einem länglichen, durch Stellwände abgeteilten Großraumbüro,
     das sich auf den ersten Blick nicht von einer Versicherung oder einer Verwaltungsbehörde unterschied. Nur mit Verzögerung
     registrierte er die ganzen Plakate und Fotos, die über den Schreibtischen hingen und das Büro als Zeitschriftenredaktion kenntlich
     machten. Tatsächlich war das
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im Verwaltungsgebäude der Tageszeitung untergebracht (eigentlich eine provisorische Lösung, die aber schon seit zwei Jahren
     andauerte), und die Poster bildeten eine feine Trennlinie zwischen den fließend ineinander übergehenden Bereichen auf dem
     Stockwerk. Ein paar Meter links und rechts von der kleinen
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Abteilung sah man bereits die notorischen Witzschilder des Bürobetriebs an den Pinnwänden, »Ich bin auf der Arbeit, nicht
     auf der Flucht«, oder »Unmögliches erledigen wir sofort, Wunder dauern etwas länger«. Über den Arbeitsplätzen der
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Mitarbeiter hingen dagegen vergrößerte Titelbilder des Magazins, Konzertplakate von Massive Attack und Oasis oder ein Mannschaftsfoto
     des FC Bayern München, und statt der üblichen Büro-Kaffeebecher mit nicht mehr vollständig zu tilgenden Rändern an der Innenseite
     standen große Mineralwasser-Flaschen der Marke Volvic auf den Schreibtischen. Tobias fragte ein Mädchen, das an ihm vorbeilief,
     nach
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