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Vor dem Urknall

Vor dem Urknall

Titel: Vor dem Urknall
Autoren: Brian Clegg
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anderen Protagonisten und einen anderen Modus Operandi auf. Betrachten wir die frühen Schöpfungsmythen, sind wir in der Lage, uns ein besseres Bild davon zu machen, wie die Menschheit zu ihrer Sichtweise über den Anfang von allem gelangt ist.

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    2. Der Schöpfer tritt in Erscheinung
    Es ist seit langer Zeit bekannt, dass die ersten komplexen Darstellungen, die sich der Mensch von der Welt und sich selbst zu eigen machte, religiösen Ursprungs waren. Es gibt keine Religion, die nicht gleichzeitig eine Kosmologie und eine Mutmaßung über göttliche Dinge wäre.
    Emile Durkheim (1858–1917),
«Die elementaren Formen des religiösen Lebens»
    Seitdem sich menschliche Wesen über das Leben, das Universum und überhaupt alles Gedanken machen – eine Aktivität, die mindestens 10 000  Jahre, ja möglicherweise sogar wesentlich weiter zurückreicht –, existieren auch Theorien, welcher Zustand vor der Entstehung des Universums wohl geherrscht haben mag.
    Die Versuche, den Ursprung des Universums zu erklären, lassen sich grob in drei Kategorien einteilen: eine religiöse, eine philosophische und eine wissenschaftliche. Diese Kategorien entstanden zunächst in der eben genannten Reihenfolge; allerdings kam es zu Überschneidungen, was dazu führte, dass es zum Beispiel bis heute religiös motivierte, allgemein anerkannte Erklärungen gibt – und dies in einer Zeit, in der wissenschaftlich fundierte Theorien das Maß aller Dinge sind.

Das Werk Gottes
    Für viele stellt die Antwort «Gott erschuf alles» eine elegante Lösung des Kausalitätsproblems dar, das sich auftut, sollte der Urknall tatsächlich den Beginn von Raum und Zeit markieren. Wie wir wissen, liegt es in der Natur des Menschen, nach der Ursächlichkeit eines Phänomens zu forschen, weshalb uns ein Urknall ohne ersichtlichen Grund nicht ganz geheuer ist. Allerdings erkennen selbst Kinder in vielen Fällen, dass dies keine wirkliche Antwort auf das philosophische Problem ist. Die Miteinbeziehung von Gott in diese Gleichung mit mehreren Unbekannten bewirkt lediglich, dass das Problem der Ursächlichkeit in der Kausalitätskette einen Schritt nach hinten verschoben wird, und die Kinder fragen: «Ja, aber wie wurde Gott erschaffen?»
    Lautet die Antwort: «Den gab es schon immer», läuft dies auf eine Theorie hinaus, die ebenso unbefriedigend ist wie die These, das Universum existiere schon ewig oder sei ohne erkennbaren Grund aus dem Nichts hervorgegangen. An dieser Stelle sei angemerkt, dass dies nicht zwangsläufig bedeutet, beide Optionen seien falsch. Ich stelle nur fest, dass die Erklärung «Gott erschuf alles» unser Kausalitätsproblem nicht löst – ein Problem, das sich ergibt, weil unser Gehirn so gestrickt ist, für alles einen Grund vorauszusetzen.
    Gehen wir in der Geschichte weit genug zurück, stoßen wir ausschließlich auf religiös motivierte Theorien zur Entstehung des Universums. Dies stellt eine Analogie zu Arthur C. Clarkes berühmtem Ausspruch «Eine hinreichend fortgeschrittene Technologie lässt sich nicht mehr von Zauberei unterscheiden» dar. In unserem Fall müsste es wohl eher heißen: «Ein jenseits des menschlichen Fassungsvermögens angesiedeltes Phänomen lässt sich nicht mehr von der Schöpfung eines Gottes unterscheiden.»
    So liefern uns die Schöpfungsmythen drei verschiedene Grundmuster zur Entstehung des Universums. Entweder das Universum hat schon immer existiert und wird auch immer existieren, oder das Universum wurde von einem Gott aus dem Nichts geschaffen, oder es war ein Gott am Werk, der bereits in einem anderen Universum beheimatet war.

Die Mythen der Schöpfungsgeschichte
    Die bekanntesten Schöpfungsmythen im westlichen Kulturkreis finden sich in den Kapiteln  1 und 2 des ersten Buchs Mose in der Bibel. Bevor wir uns diesen zuwenden, müssen wir klären, wie der Begriff «Mythos» in diesem Zusammenhang gemeint ist, wird er doch in der Regel eher in abfälliger Form gebraucht, was hier jedoch nicht der Fall ist. Ein Mythos ist eine Geschichte, die einen bestimmten Zweck verfolgt. Sie handelt von etwas, das für unser Alltagsleben von Belang und in der Regel weit in der Vergangenheit oder in einem fernen Land angesiedelt ist. (So bediente sich George Lucas ganz bewusst einer mythologischen Sprache, als er seine Star-Wars-Trilogie in einer fernen Galaxie in grauer Vorzeit spielen ließ.) Der Mythos macht sich diesen exotischen Handlungsrahmen zunutze, um eine universelle
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