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Vor dem Sturm (German Edition)

Vor dem Sturm (German Edition)

Titel: Vor dem Sturm (German Edition)
Autoren: Jesmyn Ward
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einsamer, zögerlicher Schwimmer beim Startsprung. Big Henry, einer von Randalls Freunden, springt immer so in den Fluss, wenn wir baden gehen: schwer und vorsichtig, als hätte er Angst, sein massiger Körper mit den Bergen von Muskeln und Fett könnte dem Wasser wehtun. Und immer wenn Big Henry das macht, lachen die anderen Jungs ihn aus. Manny ist dabei immerder lauteste von allen: Zähne wie weiße Messerklingen, das Gesicht goldrot. Der Welpe landet in Skeetahs aufgehaltenen Händen. Die kleine Hündin ist ein weiß-brauner Flickenteppich. Sie bewegt sich, ihr Kopf wackelt wie der ihrer Mutter. Skeetah wischt sie sauber. Er kniet sich hinter China, die knurrt. Winselt. Aufplatzt.
    Obwohl Daddys Wagen direkt vor der Haustür stand und Junior mich mit einer der großen Ballonflaschen an der Wade traf, schaute ich zuerst Manny an. Er hielt den Ball wie ein Ei, mit den Fingerspitzen, so wie es laut Randall ein guter Ballspieler macht. Manny konnte sogar auf steinigem Boden dribbeln. Ich habe ihn im steinigen Sand am Rand des Basketballplatzes unten im Park gesehen, ihn und Randall, wie sie immer wieder Dribbeln und Defense übten. Wegen der Steine hüpfte der Ball zwischen ihren Beinen herum wie ein Paddleball aus Gummi, wild und unberechenbar, aber sie waren so gut, dass sie ihn trotzdem fast jedes Mal erwischten und weiterdribbeln konnten. Sie schmissen sich lieber hin, als den Ball aufzugeben, ließen sich von den scharfen Muscheln und kleinen grauen Steinen ins Fleisch schneiden. Manny hielt den Ball so zärtlich, wie er einen Pitbullwelpen mit Abstammungsnachweis halten würde. Ich wünschte, er würde mich auch so anfassen.
    »Hi Manny.« Das klang wie ein asthmatisches Quieken. Mein Hals fühlte sich heiß an, heißer als der Tag. Manny nickte mir zu und ließ den Ball auf dem ausgestreckten Finger kreisen.
    »Was geht?«
    »Wird auch Zeit«, sagte Daddy. »Hilf deinem Bruder mit den Flaschen.«
    »Ich pass nich unters Haus.« Ich verschluckte die Worte fast.
    »Ich mein nich holen, ich mein ausspülen.« Er zog eine Säge, die vom langen Rumliegen ganz braun geworden war, von der Ladeflächeseines Wagens. »Ich weiß genau, dass wir hier irgendwo noch Sperrholz haben.«
    Ich schnappte mir die beiden nächstbesten Ballonflaschen und trug sie zum Wasserhahn. Ich drehte auf, und das Wasser, das herausspritzte, war kochend heiß. Eine der Flaschen war innen mit krustiger Erde verschmiert, deshalb ließ ich das Wasser überlaufen. Als es über den Rand trat, schüttelte ich die Flasche, um sie zu säubern. Manny und Randall pfiffen sich zu, spielten Ball, und andere gesellten sich dazu: Big Henry und Marquise. Ich staunte, dass sie alle aus einer anderen Richtung kamen, dass nicht ein oder zwei von ihnen mit Skeetah aus dem Schuppen gekommen waren, oder aus den Überbleibseln von Mother Lizbeths verfallendem Haus, dem einzigen anderen Haus auf der Lichtung, das ursprünglich der Mutter meiner Mama gehört hat. Die Jungs fanden immer einen Platz zum Schlafen, wenn sie zu betrunken oder zu high oder zu faul zum Nachhausegehen waren. Die Rücksitze abgewrackter Autos, das alte Wohnmobil, das Daddy billig von einem Mann an der Tankstelle in Germaine gekauft hatte und das gerade so lange lief, bis er damit unsere Einfahrt erreicht hatte, die Veranda vor dem Haus, die Daddy auf Mamas Wunsch umzäunt hatte, als wir klein waren. Daddy war es egal, und nach einer Weile fühlte es sich komisch an auf dem Pit, wenn sie nicht da waren, so leer wie das Aquarium, das ich einmal bei Big Henry im Wohnzimmer gesehen hatte, in dem weder Wasser noch Fische waren, sondern nur Steine und künstliche Korallen.
    »Was geht, Cousin?«, fragte Marquise.
    »Hab mich gefragt, wo ihr alle seid. Fühlte sich leer an hier auf dem Pit«, sagte Randall.
    Das Wasser in der Flasche in meiner Hand färbte sich rosa. Ich schwankte hin und her, um den Spritzern auszuweichen, versuchte, nicht zu Manny hinüberzuschauen, und tat es doch. Er schaute mich nicht an; er schüttelte Marquise die Hand; seinebreiten klobigen Finger brachten Marquises dünne braune Hand fast zum Verschwinden. Ich stellte die saubere Flasche ab, nahm die nächste und fing von vorn an. Mein Haar lag in meinem Nacken wie eine von den Häkeldecken meiner Mutter, die wir im Winter immer noch über uns aufschichteten, um warm zu bleiben, und unter denen wir am Morgen schwitzend aufwachten. Eine Flasche Spülmittel landete neben meinen Füßen und spritzte mir Schlamm an die
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