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Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle

Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle

Titel: Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle
Autoren: Berndt Rieger
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dass man verstand, warum. Dann wieder ein sehr angenehm gewürztes, duftendes Gericht, doch wenn man davon gekostet hatte, entstand eine intensive Hitze hinter den Augen und man brüllte vor Zorn und das sehr lange. Oder ein rotes, würziges Getränk, von dem man einige Stunden lang erbrach, schwarze Schemen erblickte und Gebete murmelte. Und diese Gegenstände lebten, selbst wenn sie unter üblichen Gesichtspunkten tot waren. Jedes geschlachtete Tier, das noch Augen hatte, konnte auch sprechen, das war sozusagen die Grundregel. Ein Fisch auf einem Teller, beispielsweise, der grinste und fließend französisch sprach. Dann das Schweben. Ich lernte in diesen Wochen ein bläuliches Getränk lieben, von dem man so leicht wurde, dass man auf den Schrank flattern konnte und auch ganz sanft heruntersetzen, einfach, indem man die Arme ausbreitete. Es war die einzige Substanz von der ich behaupten würde, dass sie mir nicht geschadet hat, und ich begann die Stunde herbei zu sehnen, in der sie mir wieder serviert werden würde. Denn der Rest, den man mir einflößte, machte aus mir etwas, vor dem ich Ekel oder Furcht empfand.
    Es ist eine ganz eigene Folter, wenn man Durst hat, und die einzige Flüssigkeit, die da steht, enthält ein Getränk, von dem man weiß, dass es einen innerlich zerfressen und schreien lassen wird. Irgendwann trinkt man es trotzdem, und das sogar gern, mit Todesverachtung. So vergingen die Wochen, vielleicht Monate, und man gab mir vielerlei und in verschiedener Menge und ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, man beobachtet mich dabei, wie ich verrückt werde. Es wurde zweifelsohne versucht, mich mit chemischen Mitteln zu verrücken. Zugleich aber merkte ich damals, dass ich innerlich unverrückbar bin. Man konnte mich brechen, aber verschieben konnte man mich nicht. Und das war wiederum eine bestärkende Erfahrung.
     
    Und so kam es, dass wir Haiti erreichten. Wir landeten in einem Teil der Insel an, der dicht von Bäumen und Buschwerk verwachsen ist. Kein Mensch hätte vermutet, dass dort Menschen leben. Tatsächlich aber reichte es, über einige Stämme zu klettern und dann sah man sich einer Menschenmenge gegenüber, deren Größe einen erschreckte, denn es war ein Gewimmel von Armen und Beinen bis zum Horizont. Es müssen Tausende gewesen sein, denn die gerodete Fläche, in deren Mitte der Tempelberg stand, wurde von ihnen dicht bestanden. Wie es dazu gekommen war, dass sie an jenem Tag dort zusammen fanden, kann ich nicht sagen. Es war ja offensichtlich wochenlang versucht worden, meine Wahrnehmung chemisch in einem Grad zu verändern, dass alles, was ich damals erlebte, durch den Schleier des Zweifels zu betrachten ist. Der Anblick dieser beträchtlichen Menschenmenge nahm mich gefangen, sodass ich völlig überrascht war, als plötzlich eine Schlinge von hinten über meinen Kopf fiel und am Hals fest gezurrt wurde, bis ich Funken vor den Augen tanzen sah, bevor sie verlöschten und ich besinnungslos zu Boden fiel.
     
     
     
     

III
     
    Die Folter
     
     
    Wenn man an den Händen zusammengebunden und an einem Seil an der Decke aufgehängt wird, erlebt man drei Arten von Schmerz. Der erste erinnert an das Vierteilen, bei dem in vier verschiedene Richtungen auseinander stiebende Pferde einen Menschen in Stücke reißen. Ähnlich erlebt das einer, der das Gefühl hat, an den Haftstellen der Schultern am Körper abzubrechen. Es ist ein ängstlicher Schmerz, voll übler Erwartung und Verzweiflung. Dann der ringförmige Schmerz des Seils, schabend und klemmend an den Fesseln mit der Erwartung, mit einer abrutschenden Bewegung Haut und Fleisch zu verlieren. Die Hände sind fühllos und gequollen wie etwas, das aufbrechen muss. Letztens ein Schmerz im Inneren, in der Seele, der noch tiefer geht. Ich glaube, man kann ihn nennen die Erwartung eines Todes, der viel zu früh kommt und das junge, pulsierende Leben, das er nimmt, mit einem brutalen Hieb zerschlagen muss, mehrmals. Ich beschreibe die Erfahrung des Hängens so genau, um zu erklären, warum ich das Folgende, weit Schrecklichere, fast wie nebenbei wahrnahm. Gewissermaßen hatte es also eine Schutzfunktion, dass ich litt. Wenn ich nicht beinahe vom Schmerz ohnmächtig geworden wäre, hätte ich vom Folgenden wahrscheinlich den Verstand verloren.
    Man muss sich vorstellen, was es für ein Kind oder einen Halbwüchsigen bedeutet, in einer Höhle von einer Decke zu baumeln inmitten einer unbestimmten Zahl von Schreienden. Wohin ich den Blick
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