Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle

Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle

Titel: Voodoo Holmes - Holmes auf Haiti. Novelle
Autoren: Berndt Rieger
Vom Netzwerk:
auf einem Stuhl an dem Tischchen, das er ans Fenster gerückt hatte, um durch einen Spalt der Gardine zu spähen.
    Es war still geworden. Morgen würde eine Untersuchungskommission aus der nächstgelegenen Stadt eintreffen. Sie würde von einem Feuerwehrwagen begleitet werden, mit dessen Leitern man die „Kaffern“ vom Dach zu holen gedachte.
    „ Wann essen die? Wann schlafen die? Wie lange können die sich mit ihren Beinen auf dieser Dachschräge halten?“
    Taggert stieß einen Unmutslaut aus und fasste mich dann ins Auge. „Es hat doch mit Ihnen zu tun, Master Holmes“, meinte er, „und soviel ich gehört habe, sind die Absichten der Gentlemen durchaus friedfertig. Vielleicht sollten Sie doch sehen, ob es sich mit ihnen verhandeln lässt, vor allem in Hinsicht auf IHN.“
    Er rollte mit den Augen in die Richtung, in der das Büro des Headmasters lag.
    „ Sie müssen wissen, seit dem Tod seiner lieben Frau ist er etwas wunderlich geworden. Es gibt nichts Besseres als eine Frau, die einem die Strippen zieht. Sie werden das noch nicht begreifen. Nicht dass ich aus eigener Erfahrung davon berichten könnte, aber ich stelle es mir schön vor, wenn einem die Frau die Strippen zieht. Verstehen Sie, Holmes?“
    „ Gewissermaßen, Sir.“
    „ Jedenfalls hat er sich durch seine Gefährten, wie er sie zärtlich nennt, wieder halbwegs eingekriegt. Zuerst die Katze, das war noch nicht das Gelbe vom Ei. Dann der Hamster. Da hat er wieder gelächelt, zumindest manchmal. Dann der Hund, ja, das war das Glück. Ohne seinen Boppy ist ER ein Nichts.“
     
    Es war nach Mitternacht des folgenden Tages, als ich von Mr. Taggert eilig gerufen wurde. Ich stolperte im Nachthemd aus dem Schlafsaal und hatte auf den Gängen zu frieren begonnen, als ich in das Arbeitszimmer des Headmasters trat. In dem hilflosen Bündel Mensch, dass sich dort wimmernd auf dem Boden wälzte, hätte ich den Schulleiter gar nicht mehr erkannt. Das Feuer im offenen Kamin brannte lichterloh, und davor und darüber, auf Spießen, konnte man die Körper von Tieren erkennen. Ja, sie waren enthaart, halb verkohlt, aber man sah noch die Augen. Das größere Tier in der Mitte, ja, das mochte Poppy sein. Ein eher kleiner Hund, der gleichwohl durch die von der Hitze geschrumpften Lefzen mit seinem riesigen Gebiss einen höhnischen Eindruck machte, obwohl er sichtlich tot war. Katze und Hamster waren fast zur Unkenntlichkeit zusammengeschrumpfte Fleischbälle, die einen anstarrten. Ich konnte Mr. Taggerts Worte kaum hören, da der Parkettboden, der sich unter der ungewöhnlichen Hitze verbog, so laut krachte. Dann verstand ich, was er mir sagte: „Sprechen Sie mit ihnen, Holmes, sagen Sie etwas, damit es aufhört.“
    Mir war sogleich klar, was er meinte. Es gab neun verschiedene Laute, die das Parkett verursachte, und es war da ein Arrangement von Lauten, das eindeutig an jene Strukturen erinnerten, die die Menschen auf dem Dach mit ihren Körpern eingenommen hatten. Und da fiel es mir auch wie Schuppen von den Augen, und ich merkte, dass ich das Idiom, das hier verwendet wurde, kannte, und sogar beherrschte. Ich hatte es schon immer in mir getragen. Als ich den Mund öffnete und mit Seufzern, Klicklauten und Schmatzen auf das Knacken des Parketts antwortete, war diese Sprache längst in mir gereift, und wartete nur darauf, Laut zu werden. Ich sagte dem Parkett also, dass ich seine Einladung zu einer Reise annehmen würde, und kaum waren diese Worte gesprochen, verstummte der Holzboden, und der Ofen machte einen schluckenden Laut, als hätte jemand oben auf dem Dach den Kamin verschlossen, und es dauerte keine Minute, bis das Feuer erloschen war und man die Leichname der „Gefährten“ des Headmasters bergen konnte.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     

II
     
    Auf Haiti
     
     
    Eigentlich begann die Sache mit den Besuchern aus Übersee ganz gut. Ich trat gegen zwei Uhr morgens vor das Tor mit meinem Köfferchen und wurde mit großer Ehrerbietung empfangen. Wie die Männer in den schwarzen Kutten so schnell wieder vom Dach gekommen waren, kann keiner sagen, aber nun standen sie mit schimmernden Augen und strahlten über das ganze Gesicht mit blendend weißen Zähnen, als schauten sie das Licht. Zumindest schien es mir so im Flackern der Funzeln, die die Nacht kaum erhellten. Ich traute meinen Augen kaum, als sie mich in eine mit Blumen geschmückte Sänfte steigen hießen, und damit ging es dann im Schritttempo zum Bahnhof. Während wir auf den Zug
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher