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Von jetzt auf gleich

Von jetzt auf gleich

Titel: Von jetzt auf gleich
Autoren: Caprice Crane
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Ähnlichkeit hat mir die Lust auf Füllung für immer genommen. Nein, ich konnte nicht behaupten, dass ich etwas dagegen hätte, dass Dirk sich ausklinken würde.
    Ich war gerade dabei, das Thema zu wechseln, als Lydia vorbeikam. Lydia sah am ehesten aus wie ein Ara: ein richtig eckiges Gesicht, das immer hellrot war, weil sie zu viel Retin-A benutzte. Sie sah aus, als würde sie jeden Morgen vor der Arbeit zum Hautarzt gehen, um ein chemisches Peeling machen zu lassen. Sie hatte eine spitze Nase und winzige perlenartige Augen. Ihr rotgefärbtes Haar war normalerweise lockig, aber sie föhnte sich fast jeden Tag die Haare glatt. An ihrer Stelle hätte ich die natürlichen Locken gelassen, es hätte sie sicher ein bisschen weicher gemacht, aber sie bestand darauf, es aussehen zu lassen, als wäre sie elektrisch hingerichtet worden.
    »Jordan, würdest du bitte die privaten Telefonate so lange einstellen, bis du das KidCo-Dilemma gelöst hast«, sagte Lydia in ihrer angespannten, gekünstelt wohlwollenden Art, als hätte ich den ganzen Vormittag am Telefon verbracht. Ich meine, ich
habe
telefoniert, aber es waren nur fünf Minuten heute Morgen, und mein Kaffee hatte noch nicht einmal gewirkt.
    »Mom, ich muss aufhören«, sagte ich und legte auf.
    Art, der Typ von der Post, begrüßte mich mit Highfive, als er vorbeiging, ohne Augenkontakt mit mir aufzunehmen und ohne mit der Wimper zu zucken. Das war unser Insiderding, das unauffällige Highfive. Art und ich hatten die ideale freundschaftliche Beziehung. Wir hatten mehr als ein Nicken füreinander übrig und weniger als die Bullshit-Höflichkeiten wie bei den meisten Bekanntschaften. Ich würde bemerken, wenn er weg wäre, aber ich würde es nicht für nötig halten, ihn anzurufen, um herauszufinden, warum. Außerdem hatte ich seine Telefonnummer gar nicht. Es war die perfekte Bürobeziehung.
    Ich öffnete das KidCo-Dokument in meinem Postfach und verstand, warum Lydia in heller Aufregung war. Ihre Ideen waren zum Kotzen. Vielleicht war »zum Kotzen« zu hart, aber genial waren sie nicht. Das war sicher nicht die Art von Ideen, die sie dorthin gebracht haben, wo sie heute ist.
    Bevor ich mich darauf konzentrieren konnte, wie ich ihr helfen könnte, hörte ich das Pling meines Postfachs. Ich öffnete es und fand eine E-Mail von meinem Vater an meine Mutter, die an mich weitergeleitet worden war.
    Von: [email protected]
    An: [email protected]
     
    Betreff: Hühnchen heute Abend … oder ist das zu viel Geflügel?
     
    Patoots – Hähnchen heute Abend, oder ist das zu früh, wo wir Mittwochabend erst Hähnchen hatten? Ich muss auch wissen, ob du mit dicken Bohnen einverstanden bist, dann bringe ich welche mit, als feine Beilage.
    Ich fragte mich, wie zwei Menschen fünfundzwanzig Jahre verheiratet sein können, ohne zu wissen, ob der Partner dicke Bohnen mag. Und ich wunderte mich mal wieder darüber, dass mein Stiefvater meinte, er müsste mir davon eine Kopie schicken.
    Während ich nach der Arbeit nach Hause radelte, wurde ich wieder einige Male geschnitten und schrie einen bärtigen Taxifahrer an, der gerade mit seinem Handy telefonierte.
    »Pass auf, Motherfuck!«, schrie er, nachdem er mich von der Straße vertrieben hatte.
    »Er! Motherfuck-
er
!«, korrigierte ich.
    »Motherfuck dich selbst!«, antwortete er. Gott schütze New York.
     
    Vor den Stufen meines Hauses stieg ich vom Fahrrad ab und bereitete mich gerade darauf vor, es hinaufzubefördern, als ich die freundliche Obdachlose aus der Nachbarschaft sah.
    Sie kam auf mich zu und warf mir einen ernsten Seitenblick zu. In ihrer Stimme lag eine Spur von Verzweiflung: »Oh, mama, I’m in fear for my life from the long arm of the law …«
    Nachdem ich mich zu beiden Seiten umgeschaut hatte, griff ich das Stichwort auf und schaute sie an. »Hangman is coming down from the gallows and I don’t have very long«, antwortete ich, und sie nickte ihr charakteristisches langhalsiges Nicken und ging ihres Weges. Sie und ich tauschten Songtexte aus, seit ich in diesem Appartement wohnte. Das meiste von dem Zeug, das sie von sich gab, würde einen zu Tode erschrecken, wenn man nicht wüsste, dass es Liedzitate sind. Einmal sah ich, wie sie sich einem Mann mit einem langen Mantel näherte und ihn praktisch mit »Borderline … feels like I’m loosing my mind« zu Tränen rührte.
    Nachdem ich mein Appartementhaus betreten hatte, kam ich zur selben Zeit am Aufzug an wie der gruselige Typ mit dem
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