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Von jetzt auf gleich

Von jetzt auf gleich

Titel: Von jetzt auf gleich
Autoren: Caprice Crane
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Höchstgeschwindigkeit niedrig halten musste, um meine Arbeitsklamotten nicht durchzuschwitzen.
    Mit einem Einkommen, das der Gehaltsklasse von immigrierten Farmarbeitern entsprach, radelte ich nicht aus dem noblen Impuls heraus, die Welt vor der Klimakatastrophe zu bewahren, oder weil ich so gerne draußen war, sondern weil eine Taxifahrt zur Arbeit ungefähr so erschwinglich war wie ein Urlaub in Europa und weil es mit Bus und Bahn einfach zu lange dauerte. Als ich klein war, war Radfahren einfach nur Herumrasen ohne Ziel, um zu irgendjemandem nach Hause oder zum Kiosk zwei Blocks weiter zu kommen, um Süßigkeiten zu kaufen. Jetzt, wo es mich zu meinem Job bei Splash Direct Media bringen sollte – der mittelgroßen Werbeagentur, auf die ich all meine Hoffnungen setzte, was ungefähr so bezahlt wurde, wie das Toilettenreinigen im Grand Central –, ging es mir nur tierisch auf den Sack.
    Ich radelte also, wenn das Wetter es erlaubte. Und wich aus. Mein letztes persönliches Lieblingsärgernis waren die Linksfahrer – die Leute, die an mir vorbeifuhren, während ich versuchte schweißfrei zu bleiben, und im Vorbeisausen »von links« schrien und mich wütend anschauten.
    Theoretisch erwarteten sie von mir keine Antwort, wenn sie vorbeirasten. Sie sagten mir, dass sie vorbeifuhren, und ich sollte mir darüber im Klaren sein. Mich langweilte das langsam, sodass ich, nachdem sie »von links« gebrüllt hatten, gelegentlich »von rechts« antwortete. Und wenn ich so richtig widerspenstig war, schrie ich nur zum Spaß etwas völlig Unlogisches zurück. »Folge deinen Träumen!«, sagte ich eines Tages zu einem schnittigen, in Elasthan gekleideten Radfahrer, der – ich hätte schwören können – Lance Armstrong war. Zwei Blocks später verschwand er in einem Müllwagen, während er sich mit einer neu entdeckten Angst immer noch nach mir umschaute.
    Aber das Schlimmste am Radfahren war, mit einem Matsch-Milchshake übergossen zu werden, was ungefähr einmal im Monat passierte. Eine Yuppie-Prinzessin saß in ihrem Hummer, zog ihren Lippenstift nach, bellte in ihr Handy und hätte mich beinahe umgenietet. Immerhin gelang es ihr, mich mit schlammigem Wasser zu durchnässen, meistens, wenn ich nur noch ein oder zwei Blocks von meinem Job entfernt war. Normalerweise radelte ich einfach weiter, mit einem dunklen Spritzring von den Waden abwärts, egal ob ich Hosen trug oder einen Rock mit einer Radlerhose drunter. Weiter oben bedeckten dunkle Schmutzflecken meine Schenkel und manchmal auch meine Bluse und meine Ärmel.
    Ich sage »schlammiges Wasser«, denn überall außerhalb von New York wäre es das. Die Wahrheit aber ist, dass das Wasser, das sich in den Straßen von New York ansammelt, eine giftig grüne, fluoreszierende Brühe ist, so ekelhaft, dass man sich wünscht, es wäre guter alter Schlamm.
    Solche Tage gab es häufiger, als mir lieb war. So häufig, dass ich glaubte, Gott würde mir einen bösen Streich spielen, in dem all diese zufälligen Extras meines Lebens mit enthalten waren. Als ob Gott an einem Tag, an dem er erkältet war, von einem Assistenten meinen Zeitplan bekommen hätte und jetzt jeden dritten Montag als Matschtag interpretierte.
    Wenn das passierte, hatte ich in der Regel keine Zeit, nach Hause zu fahren und mich umzuziehen. Und wenn ich durch die Hallen zu meinem Büro stapfte, bekam ich neugierige Blicke von meinen Kollegen und dem höheren Management zugeworfen, die sich wunderten, was mit mir los war und warum ich zur Arbeit kam und wie Jackson Pollock aussah.
    Und natürlich musste ich an einem der Tage, an denen ich vollgespritzt worden war, unausweichlich Mr Billingsly, dem Leiter der Agentur, in die Arme laufen.
    Ich sah ihn schon von weitem kommen und versuchte den Kopf unten zu halten, damit er mich nicht erkannte, aber, wie das Schicksal es wollte, liefen wir genau aufeinander zu, sodass er mich sehen musste. Es ist schon komisch, denn meistens fühlte ich mich im Job völlig unsichtbar, und das einzige Mal, wo ich es wirklich sein wollte, hatte ich das Gefühl, in Neon gekleidet zu sein. Billingsly war total einschüchternd, aber das fiel einem auf den ersten Blick nicht auf, denn er ähnelte einem überfütterten Grundschuldirektor, der sich zu Weihnachten als Santa Claus verkleiden könnte – weißes Haar, rotes Gesicht, fett, Grübchen. Aber in dem Moment, in dem er den Mund aufmachte, bröckelte die Fassade: Seine vernichtenden Kommentare hätten Rudolphs Nase eher
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