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Von der Nacht verzaubert

Titel: Von der Nacht verzaubert
Autoren: Amy Plum
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an.
    »Leonardo da Vinci und Quentin Tarantino zählen nicht«, unterbrach sie mich.
    Ich sagte nichts mehr.
    Georgia stand auf und hängte sich ihre kleine schicke Handtasche über die Schulter. »Nicht du bist tot«, sagte sie, »sondern Mama und Papa. Und sie würden sich wünschen, dass du lebst.«

 
    » W o gehst du denn hin?« Mamie streckte verwundert ihren Kopf aus der Küche, als sie hörte, wie ich die Wohnungstür öffnete.
    »Georgia findet, meine Lungen brauchen mal wieder ein bisschen schmutzige Pariser Stadtluft«, antwortete ich und schnappte mir meine Tasche.
    »Da hat sie völlig recht«, sagte sie und kam zu mir. Ihre Stirn reichte mir kaum bis ans Kinn, aber durch ihre perfekte Haltung und ihre sieben Zentimeter hohen Absätze wirkte sie viel größer. Obwohl sie in ein paar Jahren siebzig werden würde, ließ ihr jugendliches Auftreten sie mindestens zehn Jahre jünger aussehen.
    Sie studierte Kunst, als sie meinen Großvater, einen erfolgreichen Antiquitätenhändler, kennenlernte, der von ihr so maßlos beeindruckt war, als wäre sie eine seiner kostbaren antiken Statuen. Noch heute restaurierte sie alte Gemälde in ihrem Atelier mit Glasdach, das ganz oben in unserem Apartmenthaus lag.
    »Allez, fille!«, sagte sie, während sie in all ihrer Herrlichkeit vor mir stand. »Dann los. Die Stadt dürstet sicher nach einer Aufheiterung durch die kleine Katya.«
    Ich gab meiner Großmutter einen Kuss auf ihre weiche, nach Rosen duftende Wange, nahm meinen Schlüssel vom Flurtisch und verließ die Wohnung durch die schwere Holztür. Die marmorne Wendeltreppe führte mich hinunter zur Straße.
    Paris ist in zwanzig Stadtteile unterteilt, die Arrondissements, die von eins bis zwanzig durchnummeriert sind. Unseres, das siebte, ist ein altes Viertel, in dem die wohlhabenderen Einwohner von Paris leben. Wer im trendigsten Stadtteil wohnen will, würde nicht in das siebte ziehen. Aber weil die Wohnung meiner Großeltern in Fußnähe zum Boulevard Saint-Germain liegt, an dem sich Cafés und Geschäfte nur so drängen, und von wo aus man in nur fünfzehn Minuten am Ufer der Seine ist, hatte ich wirklich keinen Grund, mich zu beklagen.
    Ich trat in den hellen Sonnenschein und umrundete den Park direkt gegenüber vom Haus. In diesem Park stehen viele steinalte Bäume und vereinzelt ein paar grüne Holzbänke. Wenn man daran vorbeigeht, hat man für ein paar Sekunden das Gefühl, dass Paris ein kleines Dorf ist und nicht Frankreichs Hauptstadt.
    Mein Weg führte mich die Rue du Bac entlang, die rechts und links von Geschäften gesäumt wird, in denen man teure Klamotten, Wohnaccessoires oder Antiquitäten kaufen kann. Ich wurde nicht mal langsamer, als ich an Papys Café vorüberging. In dieses Café hatte er uns mitgenommen, seit wir kleine Kinder waren. Wir saßen dort und tranken Tee mit Pfefferminzgeschmack, während Papy mit allem plauderte, das sich bewegte. Das Letzte, was ich wollte, war, neben ein paar seiner Freunde oder gar gegenüber von ihm auf der Terrasse zu stranden. Ich musste mir ein eigenes Café suchen.
    Mir schwebten zwei nahe gelegene Lokale vor. Das erste lag an einer Straßenecke, die Ausstattung war dunkel gehalten und eine Reihe von Tischen, die auf dem Bürgersteig standen, flankierte das Gebäude. Dort war es vermutlich ruhiger als in dem anderen Lokal. Ich betrat es und sofort fielen mir lauter alte Männer auf, die auf hohen Stühlen an der Bar saßen, jeder ein Glas Rotwein vor sich. Ihre Köpfe drehten sich langsam in meine Richtung, um den Neuankömmling zu mustern, doch mein Anblick erschreckte sie offensichtlich dermaßen, als hätte ich in einem gelben Hühnerkostüm gesteckt. Warum hängt draußen denn kein Schild mit der Aufschrift »Zutritt nur für alte Männer«, fragte ich mich und machte mich schleunigst auf den Weg zu Option zwei: Ein überquellendes Café ein Stückchen weiter die Rue hinunter.
    Das Café Sainte-Lucie wirkte sehr geräumig, weil durch die großen Fenster viel Sonnenlicht hineinfallen konnte. Auf der sonnigen Terrasse standen sicher fünfundzwanzig Tische, die normalerweise alle belegt waren. Während ich auf einen freien Tisch in der äußersten Ecke zusteuerte, wusste ich, dies war mein Café. Ich hatte sofort das Gefühl, hierher zu gehören. Ich stellte meine Tasche unter den Tisch und setzte mich mit dem Rücken zum Gebäude, damit ich sowohl die gesamte Terrasse als auch die Straße und den Bürgersteig im Blick hatte.
    Ich bestellte eine
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