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Vom Kämpfen und vom Schreiben

Vom Kämpfen und vom Schreiben

Titel: Vom Kämpfen und vom Schreiben
Autoren: Carla Berling
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kann nicht dabei sein. Und so ist es auch. Als ich das blaue Buch in den Händen halte, muss ich weinen. Ich schließe mich auf der Toilette ein, um ein paar Minuten für mich zu haben, bevor ich fremden Menschen daraus vorlese.
    Weil ich um zweiundzwanzig Uhr meinen Zug erreichen muss, eröffne ich die Lesung.
    Es läuft so lala. Das Publikum reagiert anders als auf die Satiren oder »Im Netz der Meister«. Daran bin ich gar nicht gewöhnt, die verhaltenen Reaktionen verunsichern mich. Mein Sohn sagt: »Mama, das ist deine Biografie, also etwas sehr persönliches und das bedeutet für dich so viel. Du hattest nur ein paar Minuten Zeit. Natürlich kränkt dich das, wenn das Publikum nicht so euphorisch applaudiert wie sonst.«
    Mein Sohn bringt mich zur Bahn, im Gepäck habe ich das Buch, an dem mein Herz so hängt wie an keinem Werk zuvor. Ziemlich verheult komme ich in Köln an und Martin tröstet mich. Was ich mir als Triumph gewünscht habe, scheint ein Flop zu werden. Das kann ich nicht zulassen.
    Die folgenden drei Monate verbringe ich damit, fast siebentausend Mails zu schreiben. Siebentausend Mal schreibe ich eine persönliche Anrede und verlinke auf mein neues Buch bei Amazon.
    Die erste Lesermeinung erscheint bei Amazon: fünf Sterne. Zwei Tage später die zweite, am Tag danach sind es drei Leser, die begeistert sind. Ich verlinke bei Facebook auf diese Rezensionen, zitiere deren Inhalt in meinen neuen Anschreiben, verweise auf allen Plattformen unermüdlich auf »Vom Kämpfen und vom Schreiben«. Die Mühe lohnt sich. Einige Menschen haben das Buch gelesen und loben es in Mails und bei Facebook, ich bitte sie, ihre Meinung auch bei Amazon zu veröffentlichen, damit es immer bekannter wird. Es gibt bald etliche Lesermeinungen, sie sind alle positiv, ohne Ausnahme. Jede neue Rezension melde ich dem Verlag, und manchmal stellt er auf seiner Seite einen Link dahin ein. Dann bekomme ich den Status des Administrators, damit ich meine Links nun selber einstellen kann, im Verlag schafft man das nicht immer.
    Irgendwann kommt die Nachricht, dass der Roman, dessen Arbeitstitel inzwischen »Rattenfang« ist, nicht wie geplant im Frühjahr, sondern erst im Herbst 2012 erscheinen kann. Darüber bin ich sehr verärgert, denn immerhin läuft »Vom Kämpfen und vom Schreiben« ganz gut, und darin geht es doch um diesen Roman und dessen Entstehung.
    Das Gute daran: Nun kann ich mich intensiver um die Vermarktung des »Kämpfen-Buches« kümmern und mir mit dem Lektorat des Romans noch ein bisschen Zeit lassen.
    Etliche Leute antworten auf meine Mailing-Aktion, stellen Fragen zum Thema »Kämpfen und Schreiben« – und ich antworte jedem. Über die Webseite »novelrank« kann ich tagesaktuell verfolgen, wie viele Bücher bei Amazon bestellt werden.
    Vor Weihnachten biete ich Exemplare mit Wunschwidmungen an, kaufe beim Verlag Bücher ein, verkaufe sie selbst weiter. Signiere, tüte ein, bringe die Umschläge zur Post. Viele Kontakte bei Facebook sind von meiner ständigen Werbung genervt und streichen mich aus ihren Listen.
    Sie haben recht, ich hab auch keine Lust auf dauernde Selbstbeweihräucherung anderer. Also muss ich die Strategie ändern. Ich muss den Menschen erst etwas bieten, bevor ich etwas anbiete. Von nun an suche ich täglich ein Thema aus, von dem ich glaube, dass es viele Leute interessiert und animiere sie zu Reaktionen und Diskussionen. Das macht mir nicht nur Spaß, es funktioniert auch. Ende Dezember fällt mir auf, dass der Verkauf meiner »Jesses Maria«-Bücher sich im letzten Quartal verdoppelt hat, ohne dass ich sie groß beworben habe – und im Januar freue ich mich über eine hohe dreistellige Quartalsabrechnung von BOD.
    Neben meinem wilden Aktionismus, durch den ich die Trauer um Hardy aushalten kann, haben wir in der Familie noch einiges durchgemacht.
    Weil meine Söhne das Erbe ablehnen mussten, dürfen sie nur ihre persönlichen Sachen aus der Wohnung mitnehmen. Der Große reist mit Koffern nach Frankfurt in seine Studentenwohnung, der Jüngere zieht vier Wochen nach Hardys Tod mit Rucksack, Reisetasche und Koffer nach Hamburg. Ein paar Kartons mit Fotos, Erinnerungsstücken, Büchern, Musikinstrumenten können sie bei Freunden lagern.
    Der Gedanke daran, das sie die Tür hinter ihrem Zuhause schließen müssen, dass es dieses Zuhause nicht mehr gibt, so, wie es keinen Papa mehr gibt, dass sie nur mit ein paar Habseligkeiten in fremde Städte ziehen, zwanzig und dreiundzwanzig Jahre alt,
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