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Vom Himmel hoch

Vom Himmel hoch

Titel: Vom Himmel hoch
Autoren: Hannes Nygaard
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unrasierte Gesicht zog sich über das Doppelkinn bis zum offenen
Hemdkragen hinunter.
    Oberkommissar Große Jäger schien während des Gewitters
nicht in seiner eigenen Wohnung gewesen zu sein. Er wirkte wie frisch aus einer
Runde fröhlicher Zecher entführt.
    »Wieso sind wir eigentlich mit deinem privaten Wagen
unterwegs?«, wollte Christoph von Mommsen wissen.
    »Unser Dienst-Kombi hat gestern den Geist aufgegeben.
Und da das Land arm ist, steht kein Ersatzfahrzeug zur Verfügung. Wir müssen
uns heute schnellstens um ein Auto bemühen, während unseres in Reparatur ist.«
    »Was ist mit dem Wagen?«
    Mommsen zuckte mit den Schultern, nickte dabei in
Richtung seines Beifahrers.
    »Wilderich war gestern damit unterwegs. Da hat der
Wagen gestreikt.«
    »Warum ist unser Dienstwagen nicht einsatzbereit?«,
fragte Christoph den Oberkommissar.
    »Ich bin Polizist und kein Techniker«, knurrte Große
Jäger nur. Für ihn war das Erklärung genug.
    Sie hatten Bredstedt, die kleine Stadt nördlich
Husums, erreicht und bogen von der Durchgangsstraße nach links ins
überschaubare Stadtzentrum ab.
    Auf dem fast dreieckigen Marktplatz mit den kleinen
zusammengedrängten Häusern blitzten die Blaulichter eines Rettungswagens sowie
eines rot lackierten Notarztfahrzeugs. Daneben stand der Streifenwagen der uniformierten
Kollegen.
    Als sie ausstiegen und sich dem Fundort näherten, an
dem zwei Männer mit den grellen Westen des Rettungsdienstes neben Dr.
Hinrichsen knieten, kam ihnen einer der Streifenpolizisten entgegen und wollte
gerade zu einer Zurechtweisung ansetzen, als er Große Jäger erkannte, sich
flüchtig an die Mütze tippte und ein »Moin« hören ließ.
    Christoph erwiderte den Gruß, stellte sich und seine
beiden Kollegen vor.
    »Die beiden anderen kenne ich«, erklärte der
Uniformierte, wandte sich dann aber an Christoph.
    »Jensen, Niebüll«, nannte der Polizist Name und
Dienststelle. Die vier grünen Sterne auf der Schulterklappe zeigten an, dass er
Hauptwachtmeister war. »Wir sind hier in der Nähe auf Streife gewesen, als uns
die Meldung der Zentrale erreichte, sodass wir kurz darauf vor Ort waren. Dort,
an der Bushaltestelle, sitzt eine Zeitungsfrau, die mit ihrem Fahrrad unterwegs
war und die Morgenlektüre verteilte. Sie hat auf ihrer Tour jenes Bündel
entdeckt«, dabei zeigte er mit dem Daumen über die Schulter, »das sich bei
näherer Betrachtung als Leiche entpuppte. In ihrem ersten Schrecken hat sie
dann ihren Mann per Handy angerufen, der daraufhin über Notruf die Polizei
verständigte und Meldung machte. Der zweite Mann«, erneut zeigte er mit dem
Daumen über die Schulter, »ist auf dem Weg zur Arbeit und kam zufällig hier
vorbei.«
    »Welcher?«, fragte Christoph, weil sich inzwischen
eine Reihe Neugieriger eingestellt hatte.
    Der uniformierte Beamte blickte in Richtung
Wartehäuschen. »Der Ältere mit dem blauen Strickpullover.«
    Christoph bedankte sich und ging zu der kleinen
Ansammlung hinüber, die sich um den Toten auf dem Pflaster bückte.
    »Moin!«, grüßte er.
    Sein Gruß wurde ebenso knapp erwidert. Ein etwa
dreißigjähriger Hüne mit Brille stemmte sich aus der Hocke empor. Die
Aufschrift auf dem Rücken seiner Signaljacke wies ihn als Notarzt aus.
    Nachdem Christoph sich mit »Hauptkommissar Johannes,
Kripo Husum« vorgestellt hatte, schüttelte der Hüne den Kopf.
    »Nichts zu machen, der war schon tot, als wir hier
eintrafen. Damit ist unsere Mission erledigt.« Zu Dr. Hinrichsen gewandt, der
ebenfalls neben dem Leichnam kniete und diesen interessiert betrachtete,
bemüht, nichts zu verändern, fuhr er fort: »Wir rücken dann wieder ab. Sie
kümmern sich um den Rest, Herr Kollege? Abtransport? Totenschein?«
    Dann verabschiedete sich der Notarzt.
    Der Tote lag halb auf dem Rücken. Sein Gesicht zeigte
nach oben, die Augen blickten starr gen Himmel. Auffällig war die unnatürliche
Haltung. Die Gliedmaßen waren wie bei einem sehr gut trainierten Artisten in
eine widernatürliche Lage verdreht. Das galt auch für die Stellung des Kopfes.
Es sah fast so aus, als würde der Tote versuchen, angestrengt über die Schulter
zu blicken. Außer kleineren Rinnsalen von geronnenem Blut aus Mund, Nase und Ohren
waren auf den ersten Blick keine Anzeichen äußerer Verletzungen zu erkennen.
    Dr. Hinrichsen blickte auf, suchte Christoph in der
Runde.
    »Viel kann ich noch nicht sagen. Männlich, etwa
dreißig Jahre. Aber das sehen Sie ja selbst. Er ist schätzungsweise fünf bis
sechs
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