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Virga 01 - Planet der Sonnen

Titel: Virga 01 - Planet der Sonnen
Autoren: Karl Schroeder
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Beine um die Tonne zu legen. Er bewegte seinen Körper wie eine Flosse und drehte die Maschine in den Luftstrom. Dann packte er den Lenker und betätigte den Magnetzünder.
    Unter ihm sprang der Motor an, und plötzlich hatten sich oben und unten verändert: Unten war jetzt hinter dem Bike und oben davor - und als die Maschine beschleunigte und geradewegs in die nächste Wolke hineinraste, klammerte er sich krampfhaft seitlich daran fest.
    Er stieß sich die Nase schmerzhaft am Sattel. Der eisige Nebel fegte über ihn hinweg und drohte, ihm die Kleider vom Leibe zu reißen. In der nächsten Sekunde war die Luft wieder klar. Er schielte an der Schnauze des Bikes entlang nach oben und versuchte, sich zu orientieren.
    Im feurigen Schein von Raketenschweifen glitzerte es wie Eiskristalle; genau vor ihm ragte Aeries neue Sonne auf. Kondensstreifen hatten ein dichtes Netz um die durchsichtige Kugel gesponnen, ihre Flanken waren bereits an mehreren Stellen durchlöchert. Für die empfindliche Apparatur im Zentrum gab es keinen
Ersatz; die Systeme kamen von Candesces Prinzipalitäten, die Tausende von Kilometern entfernt waren, und arbeiteten mit einer Technik, die kein lebender Mensch nachbauen konnte. Doch zwei Slipstream-Kreuzer hatten sich, in dichte Rauchwolken gehüllt, genau über der Sonne postiert und feuerten eine Breitseite nach der anderen darauf ab.
    Mutter hatte sicher die Treibstofftanks aufgefüllt, bevor sie ihr Team abzog. Solange die Sonne in Betrieb war, konnte sie niemand betreten; man musste ihr genau so viel Treibstoff geben, wie sie für die jeweilige Brennphase brauchte. Für heute hatten die Techniker einen zweiminütigen Testlauf geplant, immer vorausgesetzt, die Wolken waren so dicht, dass sie das Licht in Richtung Slipstream abhielten.
    Eine Leiche trudelte vorbei und zog eine Spur aus kugelförmigen Blutstropfen hinter sich her. Hayden stellte zerstreut fest, dass der Mann die inzwischen verbotene grüne Uniform von Aerie trug. Mehr Zeit hatte er nicht, denn jetzt drohte er jeden Moment gegen die Sonne zu prallen.
    Bike Nummer Zwei war nicht für Flüge im offenen Luftraum gedacht. Der schwere Turboprop war stark genug, um das ganze Habitat in eine schnellere Rotation zu ziehen. Er hatte zwar einen Lenker, aber nur, weil das gesetzlich vorgeschrieben war, nicht, weil irgendjemand damit gerechnet hätte, ihn auch zu benützen. Und die Maschine beschleunigte rasant. Nicht mehr lange, und Hayden würde vom Fahrtwind aus dem Sattel gerissen werden.
    Er strampelte heftig mit den Beinen, bis er sich mit dem ganzen Körper in den mörderischen Wind gedreht
hatte. Dadurch machte der Lenker erst einen, dann noch einen Ruck nach links. Im Innern der Tonne drehten sich die Propellerschaufeln im Abgasstrom. Das Bike legte sich - langsam - in die Kurve.
    Das blanke geodätische Gerüst der Sonne schoss so dicht an ihm vorbei, dass er es hätte berühren können. Ein flüchtiger Eindruck von Gesichtern, grünen Uniformen und Gewehren, dann schaute er wieder nach oben und entdeckte die Formation der Slipstream-Jets genau in dem Augenblick, als er auch schon durch sie hindurchjagte. Ein paar verspätete Schüsse folgten ihm, aber sie waren über dem Dröhnen des Motors kaum zu hören.
    Und schon lag ein weiteres Hindernis vor ihm, diesmal ein spindelförmiger Schlachtkreuzer, der die bunten Wimpel eines Flaggschiffs aufgezogen hatte. Dahinter erhob sich eine weitere Wolkenbank, und jenseits davon lauerten die indigoblauen Tiefen des Winters, in denen keine Zivilisation möglich war.
    Hayden konnte sich nicht länger halten. Aber das war jetzt nicht mehr so schlimm. Er richtete sein Bike direkt auf den Kreuzer, dann zog er die Beine hoch und stieß sich ab.
    Aufs Neue schwerelos, schwebte er im klaren Äther, war aber zu schnell, um die Luft, die an seinen Lippen vorbeirauschte, auch einatmen zu können. Bevor ihm schwarz vor den Augen wurde, drehte er sich um und sah, wie Bike Nummer Zwei gegen die Seite des Kriegsschiffs prallte und sich in den Rumpf bohrte, und wie sich ein Feuerpilz ausbreitete und einen Namen auf dem Metall beleuchtete: Arroganz.

    Mit letzter Kraft spreizte Hayden Arme und Beine, um seinen Luftwiderstand zu erhöhen. Dann tauchte er in die Wolke hinter dem Flaggschiff ein, und die Welt verschwand in silbrigem Grau. Ein Schwarm Fische stob erschrocken vor ihm auseinander. Dann wartete er darauf, dass er vor Kälte erstarrte, aus Luftmangel das Bewusstsein verlor oder mit einem Hindernis
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