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Vincent van Gogh und Paul Gauguin

Vincent van Gogh und Paul Gauguin

Titel: Vincent van Gogh und Paul Gauguin
Autoren: Phil Humor
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lebenswichtig.“ Paul Gauguin nickt bedeutungsschwer. Das Licht würde mir nicht so hell, so traulich sein, wenn uns Dunkelheit nicht umhüllen würde. Nacht. In welche Nacht marschiere ich, will gegen ankämpfen mit meiner Malerei, der das Leuchtende fehlt, selbst wenn ich Chromgelb verschwenderischst hineinmische. Ich nippe an meinem Absinth. Wir schweigen. Plötzlich setzt Paul Gauguin sein Glas entschieden hin, so dass selbst der kleine Absinth-Rest noch hinausspritzt. „Ich reise!“

    Er schüttelt den Kopf. Sein Körper will die Entschlossenheit signalisieren – wage ich, starte ich nochmals einen Versuch ihn zum Verweilen zu überreden? Ich halte das Bild empor, was ich mitgebracht habe: das Straßencafé bei Nacht – derselbe Ort, an dem wir sitzen. Doch wir sind nicht mit auf dem Bild. Ich hatte es einen Monat vor seiner Ankunft gemalt. Wir wohnen in meinem Gelben Haus. Ist Gelb für mich noch immer die Hoffnungs-Farbe? Mein lieber Bruder Theo, hast mich so oft schon ermahnt, das Düstere nicht zu malen, Fröhlichkeit – das sei es, was Käufer anlockt, die Lebenslust, ob es nun in frivolen Formen oder bewundernden Pinselstrichen geschieht: Das lebenswerte Leben sei zu porträtieren. Und was verkünden meine Bilder?! Theo, sieh doch hin, ihr lieben Käufer seht es doch: Da sucht das Himmlische sich sichtbar zu machen im Banalsten. Alte Schuhe, müde, gebeugte Menschen – sie sind nicht herausgeputzt oder besonders vorzeigenswert, aber in meinen Bildern sind sie bemüht, Schritt zu halten mit dem Himmlischen. Ich starre auf meine Schuhe.

    „Geht es dir nicht gut“, fragt mich Paul Gauguin, da ich aus meiner vornübergeneigten Haltung mich nicht wieder aufrichte.

    „Ich bin wie meine alten Schuhe. Hätte ich ein einziges Bild nur verkauft – ich hätte die modernsten saubersten Schuhe nun an. Unverkäuflich. - Wie weit bist du bereit, zurückzuweichen von deinem Musen-Ideal und vorliebzunehmen für eine Zeit lang mit dem Gewünschten, dem Gefälligen?“

    „Ach Vincent, Deine Bilder gefallen mir. Sogar mehr, als gut für mich ist. Du bist konsequenter, suchst fanatisch nach den stärksten Ausdrucksmöglichkeiten für deine Visionen. - Ich weiß davon: Du malst nicht das Äußere. Du malst, was du schauen darfst, aufgrund deiner besonderen, guten Beziehung zum Herrgott. Jeder könnte solch bevorzugte Vertrauensposition innehaben – doch üblicherweise scheut man sich, Ihm so nah zu sein. Aus Gefahr, sich selber ganz auszulöschen, aufzugehen im Gesamten.“

    Paul Gauguin lässt sich erneut Absinth nachschenken. „Schau, da kommen unsere Modelle.“

    Er deutet auf Joseph Roulin und seinen 17-jährigen Sohn Armand. Die beiden nehmen Platz an unserem Tisch. Joseph Roulin trägt seine Postmeister-Uniform und Armand seinen guten gelben Anzug. Ich kleide mich so nachlässig. Ihnen ist es wichtig, bei mir einen guten Eindruck zu machen; als ob ich ihnen dazu verhelfen könnte, etwas Besonderes zu sein. „Wie fühlt man sich als begehrtes Maler-Modell?“

    „Ich bin begehrt, weil mein Preis der geringste ist: Umsonst verharre ich Stunden, die wie Tage dauern, eingefroren in einer Pose. Was ist daran noch natürlich? Muss das Leben erst einfrieren, dass man es auf Leinwand sichtbar machen kann? - Ich glaube, das ist der Grund, warum dir die Bilder von meiner vier Monate alten Tochter nicht so trefflich gelangen. Sie ist nicht erstarrungswillens. - Ich will dich beeindrucken durch meine hervorragende Wortwahl und entferne mich immer weiter von meinem schlichten Ich. Aber davon hast du mich ohnehin fortgeschleudert. Diese Gespräche mit dir haben mich in Monaten um Jahre reifen lassen.“

    Joseph Roulin nimmt sich ein großes Stück vom Käse. Wie unsere Umgebung unsere Wortwahl beeinflusst. Aber das ist ja der Grund, warum ich mich hier in Arles aufhalte; im Süden von Frankreich leuchtet‘s – und hier könnte die Düsternis sich mischen mit warmen, mir und meinen Bildern gut tuenden, hellen Farben. Joseph ist mir ein guter Freund geworden – nur seine Frau hat Scheu vor mir. Blickt beim Porträtiert-Werden stets zu Paul Gauguin hinüber, meidet meinen Blick. Habe ich den bösen Blick?! Ich müsste es wissen, habe mich oft genug porträtiert. Trauriger Blick, ein Suchender. Ich nicke Armand zu. Ermuntere ihn zum Reden.

    „Ich kann es ja auch, wie mein Vater, mit sonderbaren Worten versuchen. Bin nur auf dem Weg, ein Schmied zu sein. Bin kein Siegfried, der sich ein göttliches Schwert
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