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Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)

Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)

Titel: Vilja und die Räuber: Roman (German Edition)
Autoren: Siri Kolu
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nächsten Baum. Zum zweiten Baum rannte ich schon. Sollte jemand im Lager auf die Idee kommen, hinter mir herzuschauen, würde er mich nun nicht mehr sehen können. Ich huschte von einem Baum zum nächsten und wartete immer so lange, bis mein klopfendes Herz sich wieder beruhigte. Schließlich konnte ich das Funkeln des Lagerfeuers nicht mehr sehen. So ganz ohne Licht war es auf der Schotterstraße überraschend finster. Ich hätte daran denken müssen, eine Taschenlampe mitzunehmen.
    » Wo gehen wir denn hin?«, fragte Hele. Sie ließ ihre Taschenlampe kurz aufblitzen, damit ich sehen konnte, wo sie war: zehn Schritte von mir entfernt. Offenbar war sie mir die ganze Zeit gefolgt. Ich verstand nicht, warum ich nichts gehört hatte. Sie würde mich auf jeden Fall einholen, selbst wenn ich jetzt losrannte. Seit ich sie schwimmen gesehen hatte, wusste ich, dass ich keine Konkurrenz für sie war.
    » Wird das ein langer Spaziergang?«
    » Nein, ich dachte nur, ich hole ein paar Zweige für das Feuer. Das brennt so kümmerlich«, sagte ich schnell.
    » Aha«, sagte Hele und landete mit einem Sprung vor mir. » Lügen kannst du auch fließend. Wird immer besser, diese Gefangene. Ein interessantes Haustier hat der Boss uns da besorgt!« Sie richtete die Lampe auf mein Gesicht, und ich sah den Wald um mich herum nicht mehr. Da hörte ich auf, mich zu verstellen.
    » Lass mich gehen«, flehte ich. » Ihr habt ja schon unsere Sachen, und ich bin doch ziemlich nutzlos für euch. Sag einfach, ich bin abgehauen, und du konntest mich nicht mehr erwischen.«
    » Schlechte Erklärung«, sagte Hele und hielt die Taschenlampe von meinem Gesicht weg. » Mir entkommt keiner, das wissen alle.«
    Ich wusste, dass ich sie nicht überreden konnte. Hele wies mit einem Kopfnicken in Richtung Lager, und ich drehte mich um und ging mit.
    » Außerdem hast du unrecht«, sagte Hele und hielt sich die Lampe unters Kinn, wie wenn man Gruselgeschichten erzählt. » Du bist nicht nutzlos. Du bist witzig. Und jetzt, wo du versucht hast abzuhauen, bist du noch witziger. Komm, wir schließen ein Abkommen!«, sagte Hele und kam mir mit einem lautlosen Sprung erschreckend nahe. » Du machst keine solchen dummen Ausbruchsversuche mehr, und ich erzähle niemandem von diesem hier.«
    » Wenn ich Ja sage, weißt du doch gleich, dass ich lüge«, sagte ich.
    » Natürlich«, grinste Hele. » Dann sind wir uns also im Klaren, wie der Hase läuft.«

Kapitel 3
    in dem wir Grundkenntnisse über anständige Räuberbrote erwerben
    A ls ich aufwachte, roch es nach gebratenen Eiern. Deshalb wusste ich sofort, dass ich nicht zu Hause war. Mama machte nämlich nur gekochte Eier, und ich hasste es, Eier zu pellen, also so viel dazu. Neben mir schnarchte Gold-Piet. Offenbar hatte der Wilde Karlo ihn als Wache eingeteilt. Ich kroch unter der Zeltplane hindurch ins Freie. Sonnennadeln stachen mir in die verschlafenen Augen. Ich konnte mich nicht erinnern, ob ich schon einmal so zeitig draußen gewesen war.
    » Guten Morgen, Gefangene!«, sagte Hele ohne mich anzusehen und schleuderte ihr Messer mit einem Präzisionswurf auf eine Pappzielscheibe, die an einer Kiefer hing.
    » Ich bin keine Gefangene«, fuhr ich sie an.
    » Hele, benutz keine solchen Schimpfwörter, das ist nicht nett!«, sagte Hilda und nahm die Eier vom Feuer, kurz bevor sie anbrannten.
    » Du hast so eine scharfe Zunge, genau wie dein Vater«, sagte Gold-Piet, der gerade aus dem Zelt gekrochen kam, zu ihr.
    » Okay, sorry, Gefangene!«, sagte Hele, zog ihr Messer aus dem Baum und knallte einen neuen Volltreffer auf die Scheibe, ohne auch nur gezielt zu haben. Eins war klar: Gestern Abend hatte ich eindeutig Glück gehabt. Sie hatte bloß mit mir geredet. Genauso gut hätte sie mich mit einem gezielten Wurf auf meinen Ärmel an einem Baumstamm festpinnen können.
    » Mädels, nicht so früh am Morgen!«, beschwichtigte Hilda uns.
    Meine Streitlust war verflogen, als ich sah, wie Hilda eine Pfanne voll Spiegeleier auf einen Teller schüttete. Auf dem Campingtisch türmten sich Berge von Essen. Belegte Brote, die auffällig an den Proviant meiner Familie vom Vortag erinnerten. Fleischklößchen und saure Gurken. Gebratene Wurstscheiben. Champignons. Ein Korb voller Fleischpiroggen. Ein Stapel riesige, superharte Knäckebroträder, wovon der Räuberpapa gerade ein kotflügelgroßes Stück abbrach, um einen Berg Aufschnitt daraufzuhäufen. Auch Fleischpiroggen ließen sich offensichtlich als Knäckebrotbelag
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