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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
Autoren: Johannes Clair
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Männern, die eine Hälfte des Golf Zuges. Der Golf Zug war der zweite Zug unserer Kompanie und hatte noch eine zweite Gruppe. So ist das in einem Zug von etwa 25 Mann. Im Einsatzland wurden die Namen aller deutschen Infanteriezüge nach dem Nato-Alphabet vergeben. Unsere Kompanie hatte vier Züge, und zwar Foxtrott, Golf, Hotel und India. Der Name wurde am Einsatzende an die Nachfolger weitergegeben.
    Unter den Zügen unserer Fallschirmjäger-Kompanie herrschte Konkurrenz. Wie bei einem großen Turnier waren alle bekannt oder befreundet, aber jeder war stolz, ein Mitglied seiner Mannschaft, seines Zuges zu sein. Die übrigen Züge waren die anderen Mannschaften. Das erhält den Ehrgeiz, hatte unser Zugführer einmal gesagt. Jeder will am besten dastehen, deshalb gibt jeder sein Bestes! Das hörte sich irgendwie seltsam an. Als würden wir auf einen Sportplatz fahren und nicht in den Krieg ziehen.
    Viele in der Kompanie waren schon seit der Grundausbildung ganz am Anfang ihrer Militärzeit in ihren Zügen zusammen. Ich selbst war als einer der Letzten in den Golf Zug gekommen, hatte mich freiwillig gemeldet. Ich wollte es unbedingt, wollte in eine Infanterieeinheit. Schon über drei Jahre war ich in der Armee. Erst als Wehrdienstleistender, dann hatte ich freiwillig verlängert und wollte schließlich für vier Jahre Zeitsoldat werden. Hatte in der Personalabteilung gearbeitet, danach im Geschäftszimmer. Büroarbeit. Nicht das, was ich mir erträumt hatte. Aber der Job gab mir die Gelegenheit, die internen Arbeitsabläufe der Bundeswehr kennenzulernen. Büro bedeutete Verantwortung. Wenn ich etwas verlegte, konnte das Karrieren und Lebenswege zerstören. Ich habe dabei viel gelernt. Dennoch, meine Ziele sahen anders aus. Ich wollte hinaus, wollte von Anfang an in den Wald, zu den »Grünen«, also jenen Soldaten, die kämpfen müssen, wenn es drauf ankam. Grün war die Farbe der Infanterie.
    Ich hatte meinen Kompaniechef so lange mit dieser Bitte aufgesucht, dass er mich vom Geschäftszimmer in einen der Rekrutenzüge steckte, die es in unserer Kompanie gab. Dort wurden die Neuankömmlinge drei Monate lang ausgebildet. Wieder ein anderer Blickwinkel. Es war eine sehr schöne Zeit für mich, denn ich habe schon immer gerne mit Menschen zusammengearbeitet. Bereits in der Schule fuhr ich als Betreuer für jüngere Klassen auf Schulfahrten mit. Diese Hilfestellung, das Anleiten und auch Führen war etwas, mit dem ich mich identifizieren konnte. Ich wollte Verantwortung übernehmen.
    Mir war wichtig, die Rekruten zu fordern und zu besonderer Leistung zu motivieren. Die meisten Menschen sind in der Lage, viel mehr zu leisten, als sie sich selbst zutrauen. Das wollte ich aus den Rekruten herauskitzeln. Ich habe dabei niemals den Grundsatz vergessen, durch Vorbild zu führen. Also musste ich alles vor- und mitmachen. Mit den Rekruten zu arbeiten, sie an ihre Grenzen zu führen, sie zu fördern, ihnen den Beruf des Soldaten bei- und näherzubringen, betrachtete ich als Möglichkeit, auch mich selbst weiterzuentwickeln. Häufig dankten meine Schützlinge es mir, indem sie mir ihr Vertrauen schenkten und auch in persönlichen Anliegen das Gespräch mit mir suchten. Die Beziehung zwischen ihnen und mir baute auf gegenseitigem Respekt auf. Das wollte ich vermitteln. Ich fühlte mich dort gut aufgehoben.
    Aber etwas nagte an mir. Ich sagte den jungen Männern und Frauen immer, wer sich für den Dienst in den Streitkräften entscheidet, hat sich freiwillig einen Beruf ausgesucht, der anders ist als alle anderen. Ich hob hervor, dass es ein Unterschied zu allen anderen Berufen ist, wenn man als Soldat einen Eid auf den Staat leistet. Einen Schwur, der dich an die gewählte Regierung und ihre Entscheidungen bindet. Einen Schwur, der von dir verlangt, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Treu dienen und tapfer verteidigen, genau so stand es im Diensteid. Ich sagte den Rekruten, dass Treue bedeutete, zu seinem Schwur zu stehen, auch wenn es unbequem war. Und dass man tapfer handelte, wenn man etwas auf sich nahm, obwohl dabei die Gesundheit oder das Leben auf dem Spiel stand.
    Aber im Grunde wusste ich nicht, was es wirklich bedeutete, diesen Eid zu erfüllen. Ich wusste es nicht, weil man sich dessen nur bewusst sein kann, wenn man am eigenen Leib erfährt, was es heißt, diesen Eid erfüllen zu müssen. Ich fühlte mich wie ein Feuerwehrmann, der
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