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Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)

Titel: Vier Tage im November: Mein Kampfeinsatz in Afghanistan (German Edition)
Autoren: Johannes Clair
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Flughafen sein. Ich schaute an mir herunter, betrachtete den sandfarbenen Anzug mit den grünen und braunen Flecken. Sie sahen aus, als hätte jemand einen Pinsel in zwei Farbtöpfe getaucht und damit die Hose und die Bluse bespritzt. Ein unregelmäßiges Muster, die Farben ineinander verlaufend. Bequem war der Anzug. Viel bequemer als der dunkelgrüne, den wir sonst trugen. Er war luftig, aus viel dünnerem Stoff. Hatte Netzeinsätze unter den Armen für eine bessere Luftzirkulation. Mein Name prangte über der linken Brusttasche. Fein gestickt auf einem olivfarbenen Streifen, der durch einen Klettverschluss mit der Bluse verbunden war. Ich hatte kaum etwas in den Taschen. Es war verboten worden. Wegen der Sicherheit im Flugzeug, hatten sie gesagt. Das kam mir etwas merkwürdig vor. Wenn man bedachte, wer wir waren und wohin wir reisten, sollte das eigentlich die geringste Sorge sein.
    Endlich geht’s los!, rief Muli von vorne.
    Endlich? Wir hatten uns lange vorbereitet. Jedem von uns war die Aufregung ins Gesicht geschrieben. Diese Art von Erregung, die dich ergreift, wenn du lange auf etwas wartest, ohne genau zu wissen, was es ist. Wie früher, als Kind an Weihnachten. Du wusstest, dass du Geschenke bekommst, und trotzdem warst du so gespannt, weil du nur raten konntest, welche.
    Muli war vor einem Jahr unser Gruppenführer geworden. Er war ein kleiner Mann, Anfang dreißig und hatte kurze, schwarze Haare, die vermutlich wie dicke, schwarze Wolle aussahen, wenn er sie wachsen ließe. Er trug lange Koteletten und oft einen kurz geschnittenen Bart. Die südländische Herkunft war ihm sofort anzusehen. Zierlich gebaut und schlank, hatte er meistens ein Grinsen im Gesicht, das irgendwie schelmisch wirkte. Muli war sehr kommunikativ. Die meisten fühlten sich in seiner Umgebung sofort wohl, weil er wusste, wie man Menschen für sich einnahm. So bekam er immer, was er wollte. Mit seinen sechs Auslandseinsätzen brachte er eine unglaubliche Erfahrung in die Gruppe. Er war schon mehrmals in Afghanistan gewesen und sagte, das Land sei inzwischen wie eine zweite Heimat für ihn.
    Muli und ich mochten uns auf Anhieb und waren in gewissen Dingen auf einer Wellenlänge. Wir hatten gelernt, uns zu vertrauen, und führten viele Gespräche über die Gruppe, wenn die Übrigen nicht dabei waren. So versuchte ich eine Brücke zwischen ihm als Vorgesetzten und uns Untergebenen zu schlagen und ihn zu beraten. Seinen Spitznamen hatte er während eines früheren Auslandseinsatzes im Kosovo bekommen, als er auf einem Maultier geritten war, das nicht mehr anhalten wollte. Muli.
    Gemeinsam mit Nossi hatte er jeden Einzelnen von uns ausgesucht. Nossi war sein Stellvertreter und das genaue Gegenteil von Muli. Still, und obwohl auch er häufig einen Kommentar nicht für sich behielt, viel zurückhaltender in dem, was er sagte. Er war deutlich größer als Muli und kräftiger gebaut. Er hatte breite Schultern, und trotz des Bauchansatzes konnte man sehen, dass er viel trainierte. Auch er hatte südländische Wurzeln. Seine dunklen Augen konnten blitzen wie der Teufel. Sein Wille und seine anstrengende Ausbildung waren berüchtigt. Viele aus der Gruppe hatten ihn bereits in der Grundausbildung erlebt und wussten, dass er seine Männer für gewöhnlich bis zum Äußersten forderte. Als er uns kurz vor dem Einsatz in Afghanistan das Du anbot, weil wir ein Team waren und er meinte, dass es einfacher sei, wenn wir auf einer persönlichen Ebene zusammenarbeiteten, drohte er uns gleich an, dass wir ihn wieder mit Herr Oberfeldwebel anzureden hätten, wenn wir Mist bauten. Er konnte uns gut motivieren.
    Wir waren schon so oft zusammen im Einsatz, wir sind wie ein Ehepaar, hatten Muli und Nossi uns am Anfang gesagt. Und wirklich hatten sie unsere Gruppe wie eine Familie zusammengefügt. Da waren neben den Führern Muli und Nossi der hübsche Mica, der zynische Hardy, der launische TJ, der ehrgeizige Jonny, der kleine Kruschka, der fluchende Simbo, der zähe Wizo, der sanfte Dolli, der starke Butch, der schweigsame Russo und ich. Und jeder hatte seine eigene Geschichte. So wie Butch, dessen Frau schwanger war, oder Wizo, der die Einheimischen verfluchte, weil schon sein Vater als russischer Soldat in Afghanistan gekämpft hatte.
    Obwohl die meisten in der Vorbereitungszeit immer wieder aus der Gruppe gerissen wurden, um Lehrgänge und Fortbildungen zu besuchen, hatten Muli und Nossi aus uns eine Einheit geformt. Eine Gruppe von dreizehn jungen
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