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Verwunschen

Verwunschen

Titel: Verwunschen
Autoren: Ulrike Schweikert
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dennoch schüttelte er nachdenklich den Kopf. »Aber es sieht auch nicht wie eine Rattenspur aus. Ich habe daheim ein Buch mit verschiedenen Fährten. Da könnte ich jetzt nachsehen.« Er seufzte und schob Cera weg, die versuchte, die Marmelade aufzulecken.
    »Lass das. Da sind Scherben drin. Das darfst du nicht fressen.«
    Betrübt ließ die Retrieverhündin die Ohren hängen.
    Mona lief ins Wohnzimmer und kam dann mit ihrem Skizzenbuch zurück. Sie ließ sich neben der klebrigen Bescherung im Schneidersitz auf dem Boden nieder und rückte ihre Brille zurecht. Dann begann sie die Spuren abzuzeichnen. Patrick beugte sich von hinten über sie und gab gute Ratschläge, die sie mit einem gereizten Grummeln beantwortete. Endlich waren sie beide mit ihrem Werk zufrieden und machten sich daran, Scherben und Marmelade vom Boden zu wischen.
    »Ich möchte wissen, was das war«, murmelte Patrick vor sich hin. »Wollen mal sehen, ob unter Großmutters Büchern was zu finden ist, das uns weiterhilft.«
    Sie kehrten ins Wohnzimmer zurück und stellten sich vor dem riesigen Bücherregal auf, das die ganze Wand bedeckte, nur unterbrochen von einem offenen Kamin, in dem noch ein paar Aschereste lagen. Auf dem Kaminsims standen ein paar seltsame Figuren und einige Fotos. Eines davon mochte etwa zwölf Jahre alt sein und zeigte ihre Eltern Isleen O’Connor und Peter Tannenberg auf ihrer Hochzeit. Daneben war ein Foto neueren Datums, auf dem die ganze Familie zu sehen war. Vermutlich hatte Mama es ihrer Mutter zu Weihnachten geschickt. Mona blieb stehen und betrachtete es. Wieder einmal fiel ihr auf, wie wenig sie und ihr Zwillingsbruder einander glichen. Mona – oder besser gesagt Morrigan, wie ihr verschmähter irischer Taufname lautete – war kleiner als ihr Bruder und zierlicher und sah mit ihren widerspenstigen braunen Locken ihrer Mutter Isleen ähnlich. Patrick hatte zwar wie Mona die grünen Augen der Mutter geerbt, doch dazu das blonde Haar des Vaters, der wie ein typischer Hanseat aussah: groß, schlank und mit vom Segeln gebräuntem Gesicht und strahlend blauen Augen.
    »Hallo, Traumsuse, hilfst du mir jetzt mal?«, holte ihr Bruder sie ins Hier und Jetzt zurück. Er hatte einige alte Bücher aus dem Regal gezogen und dann nach einem kurzen Blick wieder zurückgestellt.
    Mona beeilte sich, ihn bei seiner Suche zu unterstützen, doch die Bücher schienen nach irgendeinem System geordnet zu sein, das sie nicht verstand. Endlich entdeckten sie ein Regalbrett, das anscheinend Großvaters naturwissenschaftliche Sammlung enthielt, und darunter auch ein Buch mit Abbildungen der Tierwelt Irlands und, was ihnen besonders wichtig war, auch deren Fährten.
    Sie zogen sich mit dem Buch auf das Sofa zurück und blätterten es langsam durch. Immer wieder hielten sie inne und verglichen die ein oder andere Spur mit Monas Skizze, doch jedes Mal schüttelten sie unisono den Kopf.
    »Nein, das ist es nicht«, sagte Patrick jedes Mal, bis sie die letzte Seite umschlugen. Enttäuscht warf er das Buch auf den Tisch.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt so genau wissen will, was das für ein Tier war. Begegnen möchte ich ihm jedenfalls nicht, schon gar nicht heute Nacht im Dunkeln!«, sagte Mona mit einem leichten Schaudern.
    »Und hoffentlich auch nicht auf der Treppe«, ergänzte Patrick vielsagend.
    Mona stutzte. »Du meinst, Grand Myrna ist über dieses Tier gestolpert?«
    »Wer weiß?«
    Doch bevor Patrick weiter wilde Theorien aufstellen konnte, unterbrach ihn ein markerschütterndes Kreischen. Die Geschwister fuhren vor Schreck zusammen und fassten einander instinktiv bei den Händen. Cera jaulte und schoss zur Tür. Noch ehe die Zwillinge sie erreichten, hatte sich die Hündin bereits durch den Spalt gedrängt und rannte bellend den Gang entlang. Vor der Haustür kam sie schlitternd zum Stehen. Mona sah, dass sie nur angelehnt war, obwohl sie überzeugt war, sie vorhin richtig zugezogen zu haben. Cera versuchte die Schnauze in den Spalt zu schieben, als die Tür mit einem Ruck zugestoßen wurde und das Schloss mit einem Klicken einschnappte.
    Die Zwillinge sahen einander unbehaglich an.
    »Vielleicht ist es doch nicht nur ein Tier, das sich hier herumtreibt«, meinte Patrick. Er reckte entschlossen das Kinn, doch Mona kannte ihren Bruder gut genug, um zu spüren, dass auch ihm die Sache unheimlich war. Zaghaft öffneten sie die Haustür und lugten auf die von Unkraut bewachsene Auffahrt hinaus. Es war niemand zu sehen. Doch
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