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Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)

Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Stunde, hinsetzen, essen, das Interieur und die anderen Gäste betrachten, sich von einem herzigen Kinderchor mit Weihnachtsliedern beschallen lassen und dann ab zum Flughafen. Keine Privatsuite mit Schwanenhalsstühlen, Marmorkamin, knöcheltiefen Teppichen mit dekadenten Mustern, Art-déco-Möbeln, alles erstklassig, und mehrere Etageren mit Sandwiches und Scones auf dem Mahagoni-Couchtisch. Ein behandschuhter und livrierter Butler rückte gerade die silbernen Milchkännchen und Marmeladenschalen zurecht.
    »Misses Häwelmann?«, fragte er. »Mister Vernau?«
    Ich wandte mich entschuldigend an Marie-Luise. »Nimm es mir bitte nicht übel, aber hier muss ein Fehler passiert sein.«
    »Ja«, murmelte sie. Ihr Blick wanderte über Porzellanamphoren, Ölbilder mit Jagdszenen und das gemütliche Feuer im Kamin. »Offensichtlich. Andererseits, wo wir heute doch Millionäre waren …«
    Sie wollte eintreten.
    »Lass das«, zischte ich. »Wir gehen zu Burger King.«
    Mit einem entschuldigenden Lächeln wollte ich sie zurückziehen, da trat aus dem Nebenzimmer eine schlanke blonde Frau in einem unscheinbaren, aber teuren Kostüm. Ich erkannte sie sofort.
    »Wir schön, dass Sie sich die Zeit genommen haben, meiner Einladung zu folgen«, sagte sie. »Ich bin Sabine Camerer. Ich habe mir erlaubt, hier oben servieren zu lassen. Man kann ungestörter reden. Earl Grey oder The Ritz Christmas Tea?«
    »The Ritz«, antwortete Marie-Luise und ließ sich vorsichtig auf einem der mit dunkelgrünem, schillerndem Stoff bezogenen Sessel nieder.
    »Herr Vernau? Vielleicht aufs Sofa? Zu mir? Keine Sorge, ich beiße nicht. Ausgaben über einer Million Pfund erschöpfen mich.«
    Sie wandte sich an den Butler und orderte den Tee. Er verließ die Suite, ohne auch nur das mindeste Geräusch zu machen.
    »Danke für die Einladung«, sagte ich. »Was wollen Sie von uns?«
    »Sie waren die Agenten von Zuzanna Makowska, nicht wahr? Ich wollte wissen, wer ihre Hintermänner sind. Wenn sie jemand anderen als Sie geschickt hätte, wäre ich ausgestiegen und hätte sie auf ihrer hoffnungslos überteuerten Kiste sitzen lassen.«
    »Nun.« Ich musste mich kurz räuspern, denn ihre Eröffnung hatte mich unvorbereitet getroffen. »Jetzt sitzen Sie auf ihr.«
    Ein kurzes Lächeln streifte ihre Lippen. Sie war keine schöne Frau. Doch ihr Blick war klar und offen. Sie hatte die Ausstrahlung einer sich selbst und andere beherrschenden Leitwölfin, die gelernt hatte, Gefühle so tief in sich zu vergraben, dass sie sie wahrscheinlich selbst nicht mehr wiederfand.
    »Es ist mehr als eine Kiste Wein. Kostbarer Wein, selbstverständlich. Kometenwein. Der berühmte 1811er Ch â teau Yquem. Wenn Sie über meine Präferenzen Bescheid wissen, und das tun Sie, nehme ich an, dann werden Sie wissen, dass mir bisher nicht gerade das Etikett einer hingebungsvollen Weinsammlerin anhaftet.«
    »Nein«, sagte ich. »Eher Präzision aus Leidenschaft .«
    »Diesen Satz hat meine Mutter geprägt. Sie war eine außergewöhnliche Frau. Das Wichtigste in ihrem Leben war Kontrolle. Die Umstände beherrschen, sich nicht von ihnen beherrschen lassen. Hammer statt Amboss sein. So hat sie aus einer kleinen Messerfabrik die Camerer-Werke geschaffen.«
    »Und Ihr Vater war der Amboss?«
    Es klopfte. Der Butler trat ein, servierte den Tee, fragte nach weiteren Wünschen, legte Sandwiches und Scones auf unsere Teller und verabschiedete sich wieder so leise wie das Rascheln eines Vorhangs im Nachmittagswind.
    Sabine Camerer wartete, bis die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte.
    »Helmfried Hagen war ein Mann, der als Kind jeden Halt verloren hatte. Die Flucht und der Verlust seines Vater haben ihn traumatisiert. Er brauchte jemanden, der ihn durchs Leben führte. Meine Mutter und er haben sich ergänzt. Allerdings duldete sie nicht, dass sich Dinge außerhalb ihres Einflusses befanden. Deshalb hat sie jeden Kontakt zu seinem ersten Sohn unterbunden.«
    »Er war ein Ding?«
    »Nein. Nein! Natürlich nicht. Was ich sagen will – Nehmen Sie doch etwas von der clotted cream , sie ist köstlich.«
    Sie bot Marie-Luise eine Wedgewood-Schale an, die diese ablehnte. Sie hatte wie ich bis jetzt nichts auf ihrem Teller angerührt. Sabine Camerer entging das nicht.
    »Eigentlich möchte ich zum Ausdruck bringen, dass ich von Horst Schwerdtfegers Existenz erst nach dem Tod meines Vaters erfahren habe.«
    »Hat es einen Familienrat gegeben? Wurde abgestimmt? Wer hat entschieden, dass dieser vom
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