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Verstoßen: Thriller (German Edition)

Verstoßen: Thriller (German Edition)

Titel: Verstoßen: Thriller (German Edition)
Autoren: Esther Verhoef , Berry Escober
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schlechte Neuigkeit war damit untrennbar verbunden: der bedenkliche Vorteil von Ermäßigungen im öffentlichen Nahverkehr, bei Konzerten und in Vergnügungsparks.
    Es kam ihm geradezu surrealistisch vor: zweiundfünfzig zu sein.
    Dabei hatte er sich noch nie so gut gefühlt wie in den vergangenen zwölf Monaten. Er hatte erst die fünfzig überschreiten müssen, um zu begreifen, dass ihm weit mehr Möglichkeiten offenstanden, als er immer gedacht hatte. Über manche Dinge sollte man nicht lange nachdenken. Man sollte sie einfach tun.
    Das wusste er jetzt.
    In den letzten, an der Seite von Emily verbrachten Jahren – es waren die letzten ihrer sechsundzwanzig Ehejahre – hatte er sich nach und nach an die Vorstellung gewöhnt, dass er keine dreißig mehr war. Dass die Uhr auch für ihn nicht stillstand, hatte er zunächst an praktischen Dingen gemerkt. Daran, dass er Fälle von Menschen – erwachsenen Menschen – vorgelegt
bekam, deren Geburtsdaten in den sechziger Jahren lagen. Später kamen sogar Anwälte zu ihm, die in den Siebzigern zur Welt gekommen waren. Durchaus keine Rotznasen, sondern Leute mit einer ordentlichen Ausbildung, mit Erfahrung und einem scharfen Verstand, dem er Rechnung tragen musste.
    Die anderen Dinge waren weniger auffällig. Sie hatten sich nach und nach eingeschlichen. Emily schloss sich einer Bridge-Runde an, während er selbst abends mit einer Zigarre und einem Buch in seinem Arbeitszimmer saß.
    Dass es auch anders hätte sein können, kam ihm nicht einmal in den Sinn.
    Als dann Valerie Nielsen wie ein roter Wirbelwind in sein Haus und seine Welt hineingestürmt war und nicht wieder daraus verschwinden wollte, hatte er sie zunächst ein bisschen wie eine Tochter behandelt. Langsam, aber sicher hatten sich dann jedoch die Machtverhältnisse verschoben, angefangen beim vertraulichen Duzen, bis ihm allmählich klar wurde, dass Valerie ihrerseits alles Mögliche in ihm sah, aber gewiss keine Vaterfigur.
    Erst wollte er es nicht wahrhaben, ja nicht glauben. Valerie kam ihm vor wie ein Wesen von einem anderen Planeten, aus einer anderen Zeit. Und sie wollte ihn ? Er bemühte sich umgehend, seine Versäumnisse nachzuholen. Kaufte ein Mountainbike und legte sich einmal pro Woche auf Emilys Sonnenbank. Sein Friseur verpasste ihm einen moderneren Schnitt, und als er sich daran erst einmal gewöhnt hatte, fiel es ihm auch leichter zuzugeben, dass er in einem roten Gaastra-Pullover tatsächlich jünger aussah. Sicher zehn Jahre jünger als im englischen Maßanzug, mit dem er bisher verwachsen schien.
    Seine Wiedergeburt hatte sich innerhalb eines knappen halben Jahres vollzogen. Sie war Emily nicht entgangen, aber auch Valerie hatte sie bemerkt. Als sie ihrem Tierarzt endlich den Laufpass gab, konnte Walter sein Glück kaum fassen.
    Für Emily war das Ganze weniger leicht zu verdauen. Noch immer rief sie ihn gelegentlich, wenn sie zu viel getrunken hatte, mitten in der Nacht wütend an. Aber sie hatte ihren Unterhalt und ihre Freundinnen vom Bridge.
    Sie würde es schon überleben.
    Valerie und ihr kleiner Thomas. Solange er diese beiden um sich hatte, kam er sich zwanzig Jahre jünger vor.
    War er zwanzig Jahre jünger.
    Und da durfte nichts dazwischenkommen.
    Er stand auf, ging um seinen Nussbaumschreibtisch herum und über den Perserteppich zum Bücherschrank. Dort blieb er kurz stehen und lauschte. Valerie schlief noch. Thomas war bei seinem Vater.
    Er war ganz allein.
    Er kniete sich vor dem Schrank auf den Boden und schlug eine Ecke des Teppichs zurück. In dem Holzboden darunter befand sich ein Ring. Er nestelte ihn aus seiner Aussparung und zog daran. Die Luke ging auf.
    Darunter befand sich ein ausbetonierter Hohlraum von kaum einem halben Meter Tiefe. Darin lag ein alter, staubiger Colt Python. In den Zylinder des schweren Revolvers passten sechs .357 Magnum-Patronen. Neben der Waffe lag eine Schachtel mit der passenden Munition. Walter hatte noch keine einzige dieser Patronen verschossen. Er hatte die Waffe Anfang der achtziger Jahre beiseitegeschafft und sie seither gehütet wie einen Schatz.
    Sie war ein Andenken. Ein zugegeben zweifelhaftes Souvenir. Niemand wusste davon.
    Neben der Waffe stand ein kleines Kästchen. Er beugte sich vor und fegte den Staub vom Deckel. Drehte den Schlüssel im Schloss und öffnete das Ding.
    Ein vergilbtes, viereckiges Foto mit weißem Rand, aus demselben Jahr, in dem er auch den Colt an sich genommen und
sein Jurastudium begonnen hatte. Von dem
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