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Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition)

Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition)

Titel: Verstehen Sie das, Herr Schmidt? (German Edition)
Autoren: Helmut Schmidt , Giovanni di Lorenzo
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mit großen Zweifeln begleitet. Meistens ganz leise, um nicht als Heckenschützen dargestellt werden zu können, aber doch mit Substanz. So zum Beispiel mein Freund Volker Rühe. Und ich selbst habe vor etwas mehr als einem Jahr versucht, Frau Merkel, ihrem Kollegen Jung und dem Generalinspekteur der Bundeswehr meine Vorstellungen in einem längeren Gespräch nahezubringen. Auch sehr leise, wir sind damit nicht in eine Zeitung gegangen.
    Was war denn Ihre Empfehlung?
    Es lief darauf hinaus, sich darüber klar zu werden, was der Westen kann und was er will – und darüber, ob beides zur Deckung gebracht werden kann. Mit den bisherigen Operationen, die nun schon seit fast einem Jahrzehnt laufen, ist das immer unschärfer gewordene Ziel offenbar nicht erreichbar.
    In Afghanistan geht es darum, so heißt es, eine stabile Demokratie aufzubauen, die Taliban zu entmachten und der zum Teil übel unterdrückten Bevölkerung, besonders den Frauen, zu mehr Selbstbestimmung zu verhelfen.
    Das sind Ziele, die nachträglich in den Vordergrund gestellt worden sind. In erster Linie ging es darum, al-Qaida die Grundlage zu entziehen. Das war das allererste und wichtigste Ziel des UN-Beschlusses – und das hat man nicht erreicht. Zwar ist in Afghanistan nichts mehr von al-Qaida zu sehen, dafür aber im Westen Pakistans, nur ein Haus weiter. Man hätte vorher wissen können, dass man dieses Ziel mit den Mitteln, die man zur Verfügung hatte, nicht erreichen kann.
    Hätte man noch mehr Soldaten hinschicken müssen?
    Richtig. Die Sowjets hatten etwas weniger als 150   000 Soldaten in Afghanistan – und mussten nach knapp zehn Jahren mit eingezogenem Schwanz wieder rausgehen. Wenn man in Afghanistan militärische, politische und soziale Stabilität herstellen will, dann reichen selbst 200   000 Soldaten offenbar nicht aus.
    Aber wo ist dann der Ausweg? Sollen die Truppen aufgestockt werden, oder ist der Einsatz sinnlos geworden?
    Ich möchte erst mal wissen, was der Westen will. Denn das Ziel ist unklar geworden, das kann man auch der Regierungserklärung von Frau Merkel entnehmen; denn sie schlägt für den Herbst dieses Jahres eine UN-Konferenz vor, um Klärung herbeizuführen. Ich habe den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan von Anfang an mit Skepsis begleitet. Ich habe jedoch größten Respekt vor den jungen Männern und Frauen, die dort ihr Leben riskieren. Ich möchte nicht dazu beitragen, dass ihre Bereitschaft, das zu tun, was ihre Regierung angeordnet hat, beeinträchtigt wird.
    Aber wie soll denn über Afghanistan diskutiert werden, wenn nicht einmal Sie eine Antwort haben?
    Immerhin habe ich ein paar Elemente genannt, und ich bleibe dabei: Der Komplex von Fragen hätte im Parlament längst tief greifend diskutiert und dann im Wahlkampf zugespitzt werden müssen. Das kann man nicht von heute auf morgen mit Schlagworten nachholen.
    Helmut Kohl, Ihr Nachfolger als Bundeskanzler, hat einmal zu mir gesagt: Wenn man selbst den Krieg erlebt hat, so wie er und Sie, dann schickt man keine Soldaten mehr in den Krieg.
    Jedenfalls hat man ganz große Bedenken, wenn man weiß, was für eine schreckliche Scheiße ein Krieg ist. Da gebe ich Helmut Kohl recht.
    Wenn man Politikern ihre Abneigung vorwirft, sich im Wahlkampf auf etwas festzulegen, dann sagen sie: Wir haben aus der letzten Wahl gelernt; die Wähler bekommen den Wahlkampf, den sie wollen; je mehr wir sagen, desto weniger Stimmen gewinnen wir.
    Ich halte das für bedenkenswert, aber nicht für akzeptabel. Ich selber habe da meine Erfahrungen mit dem berühmt-berüchtigten Nato-Doppelbeschluss gemacht. Es war offensichtlich, dass mir weder meine Partei noch eine Mehrheit der öffentlichen Meinung folgen wollte. Gleichwohl habe ich gesagt: Das ist notwendig im Interesse des deutschen Volkes, und deshalb machen wir das.
    Es hat Sie die eigene Regierung gekostet!
    Das muss man riskieren. Ein Politiker, der das nicht riskieren will, taugt nichts für die demokratische Regierung.
    Die SPD liegt derzeit in Umfragen bei etwa 25 Prozent. Würden Sie sagen, dass sie jetzt den Preis dafür bezahlt, dass sie die Agenda 2010 umgesetzt hat?
    Würde ich nicht sagen, nein.
    Warum nicht?
    Jetzt wollen Sie mich in die Lage bringen, meine eigene Partei zu kritisieren.
    Ich frage nur, ob es in Ihren Augen nicht ungerecht ist, dass die SPD zwar das Richtige für das Land getan hat, aber dafür bis heute büßen muss.
    Würde ich nicht unterschreiben.
    Sie meinen, es gibt andere Gründe für die
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