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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl
Autoren: dtv
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Mäßigung geben. Sie war großmütig, liebenswürdig und anziehend, doch war sie alles andere als umsichtig. Die Ähnlichkeit mit ihrer Mutter war auffallend groß.
    Elinor sah dieses Übermaß an Empfindsamkeit bei ihrer Schwester mit Besorgnis, doch Mrs.   Dashwood schätzte und liebte es. Sie bestärkten sich jetzt gegenseitig in der Heftigkeit ihres Kummers. Der unsagbare Schmerz, der sie anfangs überwältigte, wurde vorsätzlich wiederbelebt, wurde gesucht und immer wieder neu entfacht. Sie gaben sich ganz und gar ihrem Kummer hin und suchten bei jeder Betrachtung, die dazu Anlaß bot, ihr Elend zu vergrößern, und wehrten sich gegen den Gedanken, jemals in Zukunft Trost zuzulassen. Elinor war ebenfalls tief betrübt, aber dennoch konnte sie kämpfen, konnte ihr Bestes tun. Sie konnte sich mit ihrem Bruder beraten, konnte ihre Schwägerin bei ihrer Ankunft empfangen und sie mit angemessener Aufmerksamkeit behandeln; und sie konnte sich bemühen, ihre Mutter zu gleicher Anstrengung zu bewegen und sie zu gleicher Nachsicht zu ermuntern.
    Margaret, die andere Schwester, war ein heiteres und freundliches Mädchen; doch da sie sich bereits ein gutes Teil von Mariannes schwärmerischer Art zu eigen gemacht hatte, ohne jedoch viel von deren Verstand zu besitzen, versprach sie mit ihren dreizehn Jahren noch nicht später im Leben ihren Schwestern zu gleichen.

|10| Kapitel 2
    Mrs.   John Dashwood ließ sich nun als Herrin in Norland nieder; und ihre Schwiegermutter und ihre Schwägerinnen wurden zu Besuchern herabgewürdigt. Als solche wurden sie jedoch von ihr mit ruhiger Höflichkeit behandelt und von ihrem Gatten mit soviel Freundlichkeit, wie er sie – abgesehen von sich selbst, seiner Frau und seinem Kind – gegen jedermann sonst aufzubringen imstande war. Er drängte sie in der Tat mit einer gewissen Ernsthaftigkeit, Norland als ihr Heim zu betrachten; und da Mrs.   Dashwood kein Plan so annehmbar erschien, wie der, dort zu bleiben, bis sie in der Nachbarschaft ein Haus für sich finden würde, wurde die Einladung akzeptiert.
    Ein Verbleiben an dem Ort, wo alles sie an frühere Freuden erinnerte, war genau das, was ihrem Herzen zusagte. In heiteren Zeiten konnte es kein Gemüt geben, das heiterer war als das ihre und dem in einem höheren Maße diese zuversichtliche Hoffnung auf Glück innewohnte, die das Glück selbst ist. Doch im Kummer wurde sie in gleicher Weise von ihrer Laune fortgerissen, und sie war dann einem Trost ebensowenig zugänglich, wie ihr Frohsinn in guten Zeiten getrübt werden konnte.
    Mrs.   John Dashwood war keinesfalls mit dem einverstanden, was ihr Gatte für seine Schwestern tun wollte. Dreitausend Pfund dem Vermögen ihres lieben kleinen Jungen zu entziehen, würde ihn in der schrecklichsten Weise verarmen. Sie bat ihn, sich die Sache noch einmal zu überlegen. Wie konnte er es vor sich selbst verantworten, das Kind, und zudem noch sein einziges, einer so hohen Summe zu berauben? Und welchen Anspruch konnten die Misses Dashwood, die |11| doch nur Halbgeschwister von ihm waren – was ihrer Meinung nach überhaupt keine Verwandtschaft bedeutete   –, denn darauf haben, daß er sich mit einer so hohen Summe derart großzügig zeigte. Man wisse sehr wohl, daß zwischen den Kindern eines Mannes aus verschiedenen Ehen niemals Zuneigung zu erwarten sei; und warum sollte er sich und ihren armen kleinen Harry ruinieren, indem er all sein Geld an seine Halbschwestern fortgab?
    »Es war die letzte Bitte meines Vaters an mich«, entgegnete ihr Gatte, »seine Witwe und seine Töchter zu unterstützen.«
    »Ich darf wohl behaupten, daß er nicht wußte, was er da sagte; zehn zu eins, daß er zu der Zeit wirr im Kopf war. Wäre er bei Sinnen gewesen, hätte er nicht daran denken können, dich darum zu bitten, deinem eigenen Kind die Hälfte deines Vermögens zu entziehen.«
    »Er hat keine bestimmte Summe festgelegt, meine liebe Fanny; er hat mich nur ganz allgemein gebeten, sie zu unterstützen und ihre Lage angenehmer zu machen, als es in seiner Macht lag. Vielleicht wäre es ebensogut gewesen, wenn er es gänzlich mir überlassen hätte. Er konnte kaum annehmen, daß ich nicht für sie sorgen würde. Aber da er mir das Versprechen abforderte, mußte ich es ihm schon geben; zumindest habe ich es damals so gesehen. Das Versprechen wurde also gegeben und muß erfüllt werden. Etwas muß für sie getan werden, sobald sie Norland verlassen und ein neues Haus beziehen.«
    »Nun gut,
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