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Versehentlich verliebt (German Edition)

Versehentlich verliebt (German Edition)

Titel: Versehentlich verliebt (German Edition)
Autoren: Adriana Popescu
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verhört haben. Hat der Kerl etwa gerade angeboten, mir zu helfen? So so, dieser Gepäckwagen-Kordjacken-Kunstfell-Nerdbrillen-Typ kann mir also ohne weiteres die Flasche öffnen? Seinen Wagen darf ich aber nicht haben? Ich drehe mich zu ihm um und funkele ihn wütend an. Zwar sieht es ein bisschen so aus, als würde ich hektisch blinzeln, aber das ist mir jetzt egal.
    „Schaffst du das denn mit deiner Sportverletzung?“
    Ich drehe mich weg und warte, bis er mit seinem Wagen und der Flasche irgendwohin verschwindet, damit ich mich weiter meinem Problem widmen kann. Leider tut er das nicht. Er trinkt erst mal genüsslich einen Schluck Cola. Arschloch. Er weiß ganz genau, dass ich die Flasche ohne männliche Hilfe oder/und einen Flaschenöffner nicht öffnen kann. Aber lieber flehe ich einen dieser Flugbegleiter in viel zu engen Hosen an, als ihn darum zu bitten. Da beiße ich doch lieber meine Zunge ab und schlucke sie runter. Blödmann. Er bietet ein geradezu wunderbares Ventil für meine angestaute Wut. Ich kenne ihn nicht, weiß nicht mal wie er heißt – und es interessiert mich auch nicht. Obwohl ... Jetzt, da er sich endlich von mir entfernt, muss ich schon erwähnen, dass sein Hintern definitiv einen zweiten Blick wert ist. Aber ich habe größere Probleme als die Attraktivität dieses Giftzwergs (der mich übrigens um zwei Köpfe überragt). Ich werde diese Flasche alleine öffnen. Ich kann und werde es schaffen! Erst ein sicherer Blick in Richtung Kord-Nerd. Weg, gut. Sonst auch keine weiteren Zuschauer. Dann mal los. Wie war das? Flasche schräg halten, Maß nehmen und dann lässig an den Rand des Automaten schlagen.
    Klirr.
    Nein, so war das also wohl nicht gedacht. Dabei hätte ich es wissen müssen. Der komplette Flaschenhals ist an der scharfen Kante des Automaten zersplittert. Die Cola läuft mir über die Hand und mein Zeigefinger blutete. Peinlich. Ich habe mich zur kompletten Idiotin gemacht und muss nun an meinen Fingern lecken, um meinen Durst zu stillen. Das habe ich wirklich ausgesprochen gut hinbekommen! Ein Blick über die Schulter reicht, um das breite Grinsen des – ja, Sie ahnen es! – zu sehen. Natürlich hat er die ganze Szene beobachtet. Ich werde langsam aber sicher wütend. Also echt jetzt, so richtig wütend.
    Können Sie sich vorstellen, wie deprimierend es ist, mit einer schweren Tasche, die man nur schubsen, aber nicht mehr tragen kann, einer Cola-Flasche (ich habe eine neue ziehen müssen) und keinem Freund auf der ganzen weiten Welt, hier im Stuttgarter Flughafen an Weihnachten gefangen zu sein? Während mein Ex-Freund (oder auch die Liebe meines Lebens) irgendwo vor einem wunderschön geschmückten Baum sitzt und Geschenke auspackt? Können Sie das? Ja, ich neige zu Übertreibungen. Aber vor mir sitzt die Großfamilie und mampft selbst gemachte Brote. Käse, Schinken, Salat … Eine Flasche Sprudel macht die Runde. Nein, das Leben ist nicht fair. Zumindest nicht mein Leben. Nach dem peinlichen Zwischenfall am Getränkeautomaten hatte ich noch immer keine Gelegenheit, meine Cola zu öffnen. Die Welt ist so ungerecht. Wenn meine beste Freundin jetzt hier wäre, das wäre wie ein Geschenk des Himmels. Ich kenne sie schon mein ganzes Leben. Einmal haben wir eine ganze Nacht darüber gelacht, wie lustig es wäre, einer Schulfreundin die Haare zu schneiden. Gott, das waren noch Zeiten! Inzwischen lebt sie in London und telefoniert den ganzen Tag mit unglaublich wichtigen Menschen, deren Namen ich noch nie gehört habe, die aber wohl die Weltwirtschaft am Laufen halten. Oder sowas in der Art. Ich habe es bis nach Freiburg gebracht, wo ich jeden Tag die Texte über fremde und exotische Orte korrigiere, an denen ich noch nie in meinem ganzen Leben war – und wo ich wohl auch niemals hinkommen werde. Wenn ich die Augen zumache, dann kann ich es mir manchmal so gut vorstellen: Dann schmecke ich die typischen Gerichte eines bestimmten Landes und rieche die Luft in der Natur von Amerikas Nationalparks. Dann spüre ich die Brandung der Bondi Beach in Australien. Dann höre ich in Südafrika die Löwen brüllen. Aber eigentlich lese ich nur Texte für Reiseführer. So komme ich irgendwie um die ganze Welt, ohne meine kleine Stadt verlassen zu müssen. Es traut mir auch niemand zu, einfach mal eine Safari durch den Krüger-Nationalpark zu machen. Denn tatsächlich glauben alle Leute, die mich kennen, dass ich jemanden brauche, der auf mich aufpasst. So wie ich jetzt hier sitze, würden
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