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Versehentlich verliebt (German Edition)

Versehentlich verliebt (German Edition)

Titel: Versehentlich verliebt (German Edition)
Autoren: Adriana Popescu
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Mutter ab und ich kann den weinerlichen Unterton in meiner Stimme nicht verbergen. Am liebsten würde ich heulen, aber ich bringe die Worte ganz ohne Tränen über die Lippen.
    „Mama? Ich bin noch in Stuttgart.“
    „Wer ist da?“
    „Pippa. Deine Tochter.“
    Ich frage mich, wie oft Frauen bei meiner Mutter anrufen und sie Mama nennen. Soweit ich weiß, gibt es außer mir und meinem Bruder (der zwar längere Haare, aber auch eine tiefere Stimme hat als ich) keine weiteren Kinder.
    „Ah, Pippa ... wie geht es dir? Wo bist du?“
    Lassen Sie sich nicht täuschen, die Verbindung ist hervorragend. Aber vermutlich löst meine Mutter, während ich einen panischen Anruf voller Verzweiflung tätige, eines dieser Sodoku-Rätsel. Oder ein Kreuzworträtsel. Oder sie liest Video-Text. Meine Mutter ist ein Paradebeispiel für Multitasking. Nur leider hört sie dann nicht mehr zu.
    Ich verdrehe einen Moment die Augen und sehe dann, wie der Junge der Großfamilie die Zunge an das Glas der Telefonzelle drückt. Nett. Das gibt bestimmt eine hübsche Entzündung der Mundschleimhaut.
    „Ich bin noch in Stuttgart. Und ich habe hier keinen Empfang. Also stehe ich in einer Telefonzelle. Es schneit hier, ich komme nicht weg.“
    „Ja, in Berlin schneit es auch.“
    Das ist besonders aufmunternd. Meine Mutter ist ein wahres Motivationstalent.
    „Tja. Soll ich wieder nach Freiburg?“
    „Aber dann sehen wir uns ja gar nicht.“
    „Ich weiß.“
    Es wäre das erste Weihnachten in meinem ganzen Leben, das ich nicht bei meinen Eltern verbringe. Plötzlich fühle ich mich so, als wäre ich zehn Jahre alt. Alles was ich möchte, ist eine Umarmung von meiner Mama.
    „Wart doch erst mal ab, was passiert. Vielleicht tut sich ja noch was mit dem Flug und dann ... rufst du noch mal an, ja? Ich muss jetzt die Soße umrühren.“
    „Okay.“
    Und dann hat sie schon aufgelegt. An Weihnachten herrscht bei uns daheim grundsätzlich Stress, und meine Mutter zählt nicht zu den stressresistentesten Menschen die ich kenne. Irgendwie habe ich mir gewünscht, dass meine Mutter fast traurig wäre, dass ich nicht kommen kann. Sie hätte ja auch spontan anfangen können zu weinen, oder so etwas. Sie hätte meinen Vater rufen und ihm die schreckliche Nachricht überbringen können. Nichts. Nur: „Ich muss jetzt die Soße umrühren.“ Und was soll ich in dieser Zeit bitte tun? Auf meiner Tasche sitzen und die Schneeflocken zählen? Weiß sie denn nicht, in welch aussichtsloser Lage ich mich befinde, so ganz ohne Gepäckwagen?
    Bevor der Junge die Scheibe auch noch einschlagen kann, trete ich aus der Zelle und marschiere mit einer Art Tunnelblick durch die Massen. Meine Reisetasche zerre ich hinter mir her wie ein Tier, das ich ich auf einer Safari erlegt habe. Und genau so fühle ich mich auch. Jetzt sollte man mir unter keinen Umständen eine Schußwaffe oder einen spitzen Gegenstand reichen.

 

    Kapitel 2
     
    D a ist er plötzlich wieder: der Kordjacken-Typ. Vielleicht sollte ich ihn einfach fragen, ob er mir seinen Wagen nicht einfach so geben würde. Wäre das unverschämt? Natürlich wäre das unverschämt. Aber genau hier liegt mein Problem. Ich bin nicht unverschämt genug. Ich habe nicht diesen Augenaufschlag, der Männer dazu bringt, mir sofort ihren Gepäckwagen zu überlassen. Ich falle leider in die Kategorie „nett, harmlos und etwas langweilig“. Machen wir uns nichts vor: ich bin 29 Jahre jung, lektoriere Reiseführer, und bin an Weihnachten an einem fremden Flughafen eingeschneit, weil ich keine Kinder habe. Das wird sich auch nicht ändern, solange ich an Benny hänge. Benny. Da ist es wieder, das Gefühl. Nur nicht losheulen. Immerhin bin ich jetzt schon ein bisschen wütend. Und das heißt bei mir schon jede Menge.
    „Verzeihung ... Ähm ... Hallo ...“
    Okay, das klingt jetzt noch nicht wie eine Kampfansage, aber es kann sich ja noch steigern. Tatsächlich bleibt er stehen, als ich schüchtern an seinem Ärmel zupfe und gleich zum ersten Mal sein Gesicht sehen werde.
    „Ja?“
    Braune Haare schauen unter seinem schwarzen Hut hervor, er hat ein kantiges und unrasiertes Gesicht. Perfekt dazu passt die dunkle Brille, die inzwischen jeder trägt, auch wenn nur Fenstergläser eingesetzt sind. Er trägt sie bestimmt auch nur, um besonders hip zu wirken. Dahinter sitzen blaue Augen, die mich jetzt genau ansehen. Irgendwie sieht er ein bisschen aus wie ein klassischer Nerd, der daheim Comics sammelt und als Frodo verkleidet auf
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