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Verschollen im Taunus

Verschollen im Taunus

Titel: Verschollen im Taunus
Autoren: Frank Demant
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nicht erst blicken zu lassen.“ Der Hörer wurde auf die Gabel geknallt. „So!“ fühlte sie sich noch bemüßigt hinterherzuschicken.
    Zur Sicherheit sendete sie denselben Text in voller Länge auch als SMS.
    Der Tag war fast vollendet, Herr Schweitzer erwachte. Letzte Sonnenstrahlen touchierten die Baumwipfel und verliehen ihnen einen pittoresken Glanz. Ein verfrühter Eulenschrei kündigte die heranbrechende Nacht an. Weiterschlafen, immerzu weiterzuschlafen war das, was er sich wünschte. Doch er war wach, glockenwach sogar, nicht mal Vorsichhindösen war mehr drin. Und sein Durst war auch noch da, stärker als je zuvor. Niemals in seinem bisherigen Leben hatte sich Herr Schweitzer derart dem Tode nahe gefühlt. Ja, er war sogar so weit, daß er ihn sich als Heimsuchung fast gewünscht hätte. Aber auch nur fast, denn immerhin war er erst zweiundfünfzig und hatte noch Pläne. Wie genau jene aussahen, hätte er im Moment auch nicht sagen können, aber aus taktischen Gründen beschloß er kurzerhand, einfach welche zu haben. Notfalls konnte er sich ja ein paar ausdenken, die über seine häufigen Kneipenbesuche hinausreichten, das dürfte so schwierig nicht sein.
    Inzwischen hatte der Mond das Licht der Welt erblickt und strahlte als fette Sichel hernieder. Die Erde drehte sich weiterhin mit circa vierzigtausend Kilometer pro Tag um die eigene Achse und Herr Schweitzer sich mit. Selbst Offenbach folgte der Rotation, was vielen Frankfurtern gar nicht recht war. Da aber weder von Mond noch Sonne Rettung zu erwarten war, sah er sich gezwungen, das Seinige beizutragen, einen Ortswechsel, wenigstens zum Wasser hin, herbeizuführen. Er schaltete das Hirn auf Stand-by-Modus, ignorierte Durst, Schmerzen und Allgemeinzustand und kroch bäuchlings drauflos. Einfach so. Alles war besser, als sich dem Schicksal zu ergeben.
    Im Laufe der Nacht hatte er, immer wieder kleinere Verschnaufpausen einlegend, gut hundert Meter zurückgelegt. Luftlinie aber waren es zwanzig weniger, denn viele Kurven wurden beschrieben. Trotzdem eine beachtliche Leistung für ein ziemlich verletztes Mannsbild von annähernd hundertzwanzig Kilogramm, zumal etliche kleinere und auch größere Hügel und Hindernisse überwunden wurden.
    Erst im Morgengrauen waren die letzten Kraftreserven versiegt. Nur noch undeutlich registrierte Herr Schweitzer die Pfütze, an deren Rand er zum Erliegen kam. Er schaffte es noch, ein paar Schlucke zu nehmen und sich sein Gesicht zu bewässern, ehe er abermals vom Schlaf übermannt wurde.
    Dank seines Überlebenstriebs wurde er auch wieder wach. Ha, dem Tod noch mal von der Schippe gesprungen, dachte er, als er das erste Äuglein öffnete. Doch sollte sich der Tod in Bälde einstellen, wir wollen jedoch nicht vorgreifen.
    Zunächst einmal roch er an diesem heraufblühenden Morgen das nur eine Handbreit entfernte Wasser. Roch – im wahrsten Wortsinne, denn die brackige Lache stank erbärmlich. Nach dem letzten Regen vor exakt einer Woche hatte sich das Zwanzigfache des lebensspendenden Naß’ in der Vertiefung befunden, aber die unbarmherzige Sonne hatte das meiste davon verdunsten lassen. Für den groben Durst reichte es noch, wenn man olfaktorische Ignoranz an den Tag legen konnte. Herr Schweitzer konnte, nein, vielmehr blieb ihm gar keine Wahl. Er fühlte sich wie ein waidwundes Tier an der Tränke. Hin und wieder erwischte er auf der Oberfläche treibende graubraune Blätter unterschiedlicher Größe, die er angewidert von den Zahnreihen klaubte. Nach dem ersten Durst meldeten sich auch die Geschmacksnerven wieder zu Wort und beschimpften ihn. Er hörte zu trinken auf und konzentrierte sich darauf, ob an seinem neuen Stand- respektive Liegeort denn nun von irgendwoher zivilisationsverheißende Geräusche zu ihm drangen. Doch Fehlanzeige, alles war wie zuvor. Er hob seinen Kopf ein wenig und lugte nach links und rechts. Kaum etwas hatte sich verändert. So langsam ging ihm das Grün um ihn herum, von dem Psychologen behaupteten, es habe eine beruhigende Wirkung auf Menschen, immens auf den Keks. Aber es sollte noch schlimmer kommen. Dagegen war alles Bisherige ein Klacks.
    Beim feinjustierten Inspizieren seines neuen Lebensraums entdeckte er, nun da auch die Sonne ihre volle Pracht entfaltet hatte, wenige Meter vom Wasserloch entfernt einen Schuh der Marke Adidas, der in einem braunbecordhosten Bein steckte. Man hätte nun meinen können, das sei doch schön, endlich, nach so vielen Strapazen ein Anzeichen von
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