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Verschollen im Taunus

Verschollen im Taunus

Titel: Verschollen im Taunus
Autoren: Frank Demant
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Seines Erachtens blieben ihm zwei Möglichkeiten. Zum einen hätte er die nächste Mulde durchqueren, zum anderen auf dem Rand die jetzige einmal umrunden können, um zu sehen, ob sich in die eine oder andere Richtung etwas Erbaulicheres tat. Sein Gedächtnis war, was die unmittelbare Vergangenheit betraf, nach wie vor out of order.
    Als der vermeintlich letzte Dorn gezogen war, untersuchte er den kaputten Fuß. Dazu winkelte er sein Bein an. Mit Spucke säuberte er die Haut. Auf dem Rist hatte es ein paar kleinere grindige Schnittwunden, keine größer als einen halben Zentimeter. Mehr Anlaß zur Sorge bereitete da schon die immense Blau-, Rot- und Grünfärbung auf der Sohle, exakt dort, wo man am kitzeligsten ist. Seine Diagnose lautete Bruch, entweder ganz oder teilweise. Auf die Idee, daß es auch eine etwas schwerere Zerrung sein könnte, kam er nicht, schließlich war er kein Orthopäde. Und im Biologieunterricht hatte er auch nur Unfug im Kopf gehabt. Statt Aufpassen war ihm das Piesacken von Mitschülern wichtiger gewesen. Aber sei es, wie es sei, so oder so sollte man den Fuß ruhigstellen. Doch wie? So ganz ohne jedwedes Werkzeug … meilenweit entfernt von menschlicher Zivilisation. Er dachte scharf nach. Und wie er so scharf nachdachte, sah er ein Geräusch. Das hört sich jetzt komisch an, denn normalerweise kann man Geräusche nicht sehen, nur hören. Doch Herr Schweitzer hatte ein Flugzeug am Himmel entdeckt und sein Hirn sofort das dazugehörige Geräusch der Düsen impliziert. Na also, dachte er, der stets positiv dachte, zumindest der Super-GAU ist nicht eingetreten. Nach einem finalen Atomkrieg hatte es nämlich keine Flieger mehr am Himmel. Es sei denn, Bush und Angie Merkel inspizierten gerade das Resultat ihrer Irak-Befriedung. „Alle tot?“ hörte er den Präsidenten des ausgelöschten Kontinents zu seiner Verwunderung auf deutsch fragen, obwohl der Hanswurst nicht mal richtig Englisch konnte. „Nee, nee, ich leb noch. Lebbe muß doch weitergehen“, hörte er sich selbst antworten, ehe ihm bewußt wurde, daß Bushi ihn gar nicht hören konnte, die Düsen dürften jeden Dialog übertönen.
    Herr Schweitzer hatte sich für die Umrundungs-Variante entschieden. Und so setzte er, die Krone des männlichen Geschlechts, seine topographische Erkundung Zentimeter um Zentimeter fort, bis die Schweißtropfen in den Augen brannten und ihm seine Lippen benetzten. Fast umgehend stellte sich ein elementares Grundbedürfnis ein: Durst. Und zwar mächtiger. Normalerweise war es ja so, wenn Herr Schweitzer durstig war, dann nach Bier oder Ebbelwei. Traubenwein ging auch. Doch heute schien ohnehin ein ganz besonderer Tag zu sein, kein Wunder also, daß es ihn schlicht und ergreifend nach Wasser gelüstete. Ganz egal, ob mit oder ohne Kohlensäure. Seine Augen hätten liebend gerne ein Wasserloch erspäht. Vergleiche mit der Tierwelt drängten sich auf.
    Nach weiteren fünf Metern elendigen und mühseligen Vorankriechens sah er ein Glitzern zwischen einigen Büschen schräg rechts unter ihm. Ein Glitzern, so verlockend und verführerisch wie Sirenengesang. Oh du Bächlein mein, du Ziel all meines Strebens, dachte er und änderte die Richtung.
    Nach dreizehn Minuten unendlichen Martyriums zerstob sein Glück in tausend Scherben. Genauer gesagt handelte es sich lediglich um eine Scherbe. Diese aber sorgte dafür, daß Herrn Schweitzers Tränen erneut flossen, wie der Bach, der ersehnte, vor seiner ausgetrockneten Kehle hätte fließen sollen. Und weiteres, noch durstiger machendes Salz ätzte seinen Mund. Alle Mächte dieser doofen Welt verfluchend schmiß er wütend die Scherbe, übrigens grün von Farbe, in hohem Bogen von sich. „Schweinebande“, krächzte er dem Glaselement vehement hinterher, „wißt ihr nicht, daß Scherben im Wald Brände auslösen können?“ Restlos erledigt bettete er sein Haupt auf Laub und schlummerte hinfort. Offen blieb, wer mit Schweinebande gemeint war.
    Maria von der Heide allerdings konnte von ihres Liebsten Leid nichts ahnen. Es war mittlerweile die achtzehnte Stunde vorbei und ihre Ansprache an den Anrufbeantworter war frei von jedwedem Schatzimausi und anderen infantilen Nebengeräuschen: „Das Konzert beginnt in anderthalb Stunden. Wenn du in der nächsten Viertelstunde nicht anrufst, gehe ich alleine. Und du …“ Hier unterbrach Maria kurz, um nach Worten zu suchen, die ihrem Ärger ausreichend Luft machten. „Und du … du brauchst dich die nächsten Tage hier gar
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