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Verschleppt ins Tal Diabolo

Verschleppt ins Tal Diabolo

Titel: Verschleppt ins Tal Diabolo
Autoren: Stefan Wolf
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gut.
Ausnahmsweise. Vielen Dank! Bedank dich, Nadine!“
    Nadine verschloss das Geld in
ihrer Hand und war in Gedanken schon mit dem Ausgeben beschäftigt. Mutter und
Tochter sahen nicht aus, als wären sie auf Rosen gebettet, mussten sicherlich
rechnen. Und ihm, verdammt!, glühte der Boden unter den Füßen. Die Lunte
brannte, die Zeitbombe tickte. Keine zehn Minuten mehr.
    Mutter und Tochter gingen
Richtung Rolltreppe. Stritzi fühlte, wie ihm der Schweiß aus den Achseln lief.
Ruhig bleiben!, befahl er sich. Keine Eile! Nicht auffallen!
    „Meine gesamten
Kunden-Unterlagen“, sagte er zu einem Mann, der dickbäuchig in der Nähe stand,
ein Fischbrötchen verschlang und alles angehört hatte. „Und ich lasse die
Tasche unter der Bank stehen! Liegt wohl an der Wärme.“
    „Ich bin auch ganz blöd heute“,
nickte der Dicke.
    Stritzi wandte sich zu den
Rolltreppen und ging langsam. Sein Gehirn arbeitete. Wie lange bis hinauf ans
Tageslicht? Und dann? Er war mitten in der Stadt. Reichte die Zeit? Oder würde
ihn seine eigene Bombe zerreißen?

    Roberto Fulvati hatte ihm
erklärt, sie habe einen dieser Zeitzünder, die sich nicht ausstellen lassen.
Kurz vorm Halt an der Station Wertheimer Platz hatte Stritzi in die Tasche
gegriffen und den gelben Metallstift hineingedrückt in das Plastikgehäuse — der
unwiderrufliche Befehl zur Vernichtung. In der U-Bahn hatte er neben einer dicken
Frau gesessen, die unter der Wärme litt und leise vor sich hin stöhnte. Die
Frau trug ein geblümtes Kleid über ihren Fleischwülsten, schwitzte sicherlich
und hatte ihre ungute Ausdünstung mit Unmengen Eau de Toilette überdeckt. Das
ganze U-Bahn-Abteil duftete nach schwülstigen Blumen. Die Beleibte hatte keinen
Blick gehabt für Stritzis Fummelei in der Aktentasche. Auch die übrigen
Fahrgäste interessierten sich einen Dreck für das Umfeld. Einige lasen Zeitung,
die meisten starrten blicklos ins Leere.
    Jetzt war er im Tageslicht.
    Passanten. Blechlawinen auf dem
Asphalt. Hausfassaden im grellen Licht. Lärm. Ein Bus fauchte vorbei.
    Stritzi sah sich um. Weniger
als acht Minuten. Die Tasche schien schwerer zu werden. Der alte Ledergriff
fühlte sich glitschig an, doch das lag an seiner — Stritzis — feuchter Hand.
    Dort stand ein Abfallbehälter.
Aber die Tasche würde nicht durch den Einwurf passen. Und überhaupt — hier war
er beobachtet. Wie würde das aussehen, wenn er versuchte, die Tasche
hineinzuzwängen?!
    Er ging weiter. Die Zeit
zerrann ihm unter den Fingern, unter den Füßen. Entlang des Bordsteins parkten
Wagen, dicht an dicht. Eben fuhr ein weinroter Mercedes ab, scherte aus der
Reihe in den fließenden Verkehr und verfehlte die hintere Stoßstange des parkenden
Vordermannes nur um Millimeter. Der Mercedes löste ein Hupkonzert aus. Am
Lenkrad saß ein Oldie. Seine Brille hatte Gläser — dicker als der Boden von
einem Marmeladenglas. Augenblicklich glitt ein Kleinwagen in die Lücke. Er war
beige. Zwei junge Frauen saßen darin. Kurzes Manöver. Der rechte Hinterreifen
radierte den Bordstein. Motor aus. Der Reifen blieb eingequetscht und verformte
sich. Die Frauen stiegen aus.
    Sie waren hübsch. Stritzi hätte
sie angelächelt. Aber für sie war er Luft.
    Der Gehweg verbreiterte sich
hier zu einem Vorplatz — für zwei Bistros, einen Direkt-Verkauf-Shop, den
Eingang zu einer Laden-Passage, einem Optiker-Geschäft.
    Die beiden Frauen unterhielten
sich lachend und verschwanden im Shop.
    Blöde Kühe!, dachte Stritzi
gehässig und war beleidigt, weil sie ihm nicht einen einzigen Blick gegönnt
hatten. Und einparken können sie auch nicht!
    Er trat in die Lücke hinter den
Kleinwagen, blieb stehen, hatte seine Sonnenbrille aufgesetzt, äugte umher.
Keiner beachtete ihn. Er wirkte wie jemand, der an dieser Stelle die Straße
überqueren will. Als warte er darauf, dass der Strom der Fahrzeuge innehielt.
    Er bückte sich. Die Tasche
berührte den Asphalt. Der Griff wurde losgelassen. Noch etwa fünf Minuten. Mit
dem Fuß kippte er die Tasche um. Mit dem Fuß schob er sie unters Heck des
Kleinwagens.
    Irgendwo links von ihm die
Straße hinab — sprang eine Ampel auf Rot. Er konnte die Fahrbahn überqueren.
Niemand rief ihm nach, er habe seine Tasche vergessen. Im Gedränge der
Mohnhoff-Straße, wo eine Fußgänger-Zone beginnt, tauchte er unter. Endlich.
    Noch eine Minute.
    Als die Bombe detonierte, saß
er an einem weißen Tischchen vor einer Pizzeria. In der Ferne hörte er Schreie,
später das
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