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Verräterisches Profil

Verräterisches Profil

Titel: Verräterisches Profil
Autoren: Marcus Hünnebeck
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Gewaltverbrechen zum Opfer fallen könnte. Sie versuchte sich damit zu trösten, dass das Mädchen vor dem Tod nicht hatte leiden müssen. Im Gegensatz zu deren Mutter.
    Als Beate langsam vom Kinderzimmer ins Schlafzimmer ging, verharrte sie in der Diele kurz vor einem gerahmten Familienfoto. Die zufrieden lächelnde Kleinfamilie hatte sich vor einem festlich geschmückten Weihnachtsbaum postiert.
    Die Kommissarin betrat den Schlafraum. Auch hier hatten die Beamten der Spurensicherung ihre Arbeit verrichtet. Die nackten Matratzen lagen auf dem Bett und vermittelten keinen Eindruck von dem nächtlichen Albtraum. Aber Beate hatte zuvor die Leiche gesehen, die etliche blaue Flecke und Wunden aufwies und mit dem Sperma des Täters besudelt war.
    Sie wollte ein Gefühl dafür bekommen, was der Mörder in der vergangenen Nacht empfunden hatte. Für Beate war es jedoch in diesem Moment fast unmöglich, sich das brutale Verbrechen vorzustellen, während heller Sonnenschein ins Haus fiel. Also machte sie sich auf den Weg in die untere Etage. Dort begab sie sich zunächst ins Arbeitszimmer, in dem sich gerade das Spurensicherungsteam aufhielt.
    »Wie weit seid ihr?«, fragte sie einen der Männer.
    »Noch ein paar Minuten Geduld.«
    »Was ist mit dem Wohnzimmer?« Geduld gehörte nicht zu ihren Stärken.
    »Da sind wir durch.«
    Solange die Kollegen um sie herumwuselten, konnte sie keinen klaren Gedanken fassen. Daher ging sie ins Wohnzimmer, das mit viel Gespür für eine warme Atmosphäre eingerichtet war. An den gelb tapezierten Wänden hingen drei holzgerahmte Aquarelle mit verschiedenen Strandmotiven. Das Stäbchenparkett harmonierte perfekt mit den beiden breiten Sideboards aus dunklem Holz. Auf dem Couchtisch lag ein aufgeschlagenes Fotoalbum. Beate betrachtete das Bild auf der rechten Seite, das die Konrads bei einem Besuch im Zoo zeigte. Wilhelm Konrads leckte genau wie seine Tochter Julia an einem Eis. Die Mutter Angelika lächelte in die Kamera. Ihr Lächeln wirkte echt, keinesfalls gezwungen oder aufgesetzt, wie es oft bei Fotografien der Fall war. Auf dem linken Bild hielt Julia einer der Ziegen Futter hin. Das Gesicht des Kindes spiegelte eine Mischung aus Begeisterung und Zweifel wider. Bestimmt war ihr die Ziege, die ihr aus der Hand fraß, nicht ganz geheuer.
    Beate setzte sich hin und blätterte mithilfe einer Kugelschreiberspitze die Seiten des Fotoalbums um, in dem sich ihr eine für eine Kleinfamilie typische Bilderauswahl darbot. Sie begann von vorn. Mit fast jedem Foto wurde das Mädchen älter. Mit seinen sechs Jahren hatte es unmittelbar vor der Einschulung gestanden. Diesen großen Tag hatte der Mörder ihr gestohlen. Ebenso wie die anderen schönen und weniger schönen Erlebnisse, die ein Leben ausmachten. Er hatte ein Kissen genommen und ihr neben der Luft zum Atmen all jene Dinge geraubt, die noch auf sie gewartet hätten.
    »Beate«, ertönte eine Stimme aus der Diele, »wir sind im Arbeitszimmer fertig und verschaffen uns im Keller einen Überblick.«
    »Auf dem Tisch liegt ein Album, das mitgenommen werden muss«, informierte sie einen Kollegen beim Verlassen des Wohnzimmers.
    Zwei Fenster waren auf dem Computerbildschirm geöffnet: eine mit wenigen Zahlen gefüllte Excel-Tabelle und die Startseite eines Erotikanbieters. Diese präsentierte verschiedene blutjung wirkende, nackte Frauen, die gemäß der Beschreibung zu den heißesten Stripperinnen gehörten, die im Internet zu finden waren. Nach einer notwendigen Registrierung bestand die Möglichkeit, den Service fünfzehn Minuten lang gratis zu testen, wobei der User mit dem ausgewählten Erotikmodell über die Tastatur oder ein Mikrofon kommunizieren konnte.
    Es klopfte an der offen stehenden Arbeitszimmertür und ein Beamter des Spurensicherungsteams trat ein.
    »Ich hörte, hier seien Dateien zu sichern, ehe wir den Computer einpacken.«
    »Wenn Sie das sagen.« Beate deutete auf den Bildschirm. »Kennen Sie sich damit aus?«
    »Privat oder dienstlich?«, entgegnete der Polizist Stefan Meier mit anzüglichem Grinsen. »Ein Online-Stripklub«, fuhr er dann fort. »Die Nutzer, die offensichtlich auf den Teenagerlook stehen, wählen sich mit einem Passwort ein und suchen sich ein Mädchen aus, das für sie strippt. Dabei kommuniziert die Frau mit ihnen über ein Mikro. Da an diesem PC kein Headset angeschlossen ist, wird der Tote seine Wünsche wohl per Tastatur eingegeben haben.«
    »Wünsche?«, hakte Beate nach.
    Nun räusperte sich Meier
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