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Verlangen

Verlangen

Titel: Verlangen
Autoren: Sylvia Day
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zehrten Albträume ihre Wirte bis zum Tod auf. Wenn sie ihnen die Träumer schutzlos überließen, würde das zum Aussterben der Menschheit führen, und vielleicht sogar zur Auslöschung ihrer ganzen Daseinsebene.
    Er konnte es sich nur zu gut ausmalen – die endlosen Albträume, unter denen sie leiden würden. Sie würden sich vor dem Schlaf fürchten und außerstande sein, zu arbeiten oder zu essen. Eine ganze Gattung würde durch Grauen und Erschöpfung dezimiert werden. Wahnsinn würde um sich greifen.
    »Okay.« Aidan ging auf sein Haus zu, und Connor lief neben ihm her. »Nur mal angenommen, es gäbe keinen Schlüssel – was wäre dann?«
    »Keinen Schlüssel? Tja, das wäre ätzend, denn es ist das Einzige, was mich an manchen Tagen aufrecht hält – das Wissen, dass es Licht am Ende des Tunnels gibt.« Connor warf ihm mit zusammengekniffenen Augen einen Seitenblick zu. »Worauf willst du eigentlich hinaus?«
    »Ich will bloß sagen, dass die Legende vom Schlüssel nur Quatsch sein könnte. Vielleicht lehrt man sie uns aus genau dem Grund, den du genannt hast: um uns Hoffnung zu machen und uns zu motivieren, wenn unsere Aufgabe endlos erscheint.« Aidan schob die Shoji-Tür zu seinem Wohnzimmer auf und griff nach der Scheide, die an der Wand lehnte. »Wenn das der Fall ist, verarschen wir die Träumer mit diesem neuen Auftrag. Statt sie vor den Albträumen zu beschützen, wird die Hälfte der Elite ihre Zeit auf die Suche nach einem Wunder vergeuden, das unter Umständen gar nicht existiert.«
    »Mann, ich würde dir glatt sagen, du solltest dich dringend mal wieder flachlegen lassen«, murrte Connor, während er an ihm vorbeiging und den Weg zur Küche einschlug, »aber heute früh warst du mit Morgan zusammen, also ist es nicht das, was dir zusetzt.«
    »Es behagt mir einfach nicht, Träumer ohne echten Schutz sich selbst zu überlassen, und es stinkt mir, dass sich die Ältesten so geheimniskrämerisch aufführen. Sie sagen uns nicht, warum wir es tun, und es fällt mir schwer, an etwas zu glauben, das ich nicht sehen kann.«
    »Und ausgerechnet du hast dir die Jagd auf Albträume als Beruf ausgesucht?«, schnaubte Connor und verschwand aus seinem Sichtfeld, als er um die Ecke bog. Im nächsten Moment kam er mit einer Dose Bier in jeder Hand zurück. »Unser Erfolg beruht ausschließlich auf Dingen, die wir nicht sehen können.«
    »Ja, ich weiß. Danke.« Aidan nahm das Bier entgegen und trank in tiefen Zügen, während er den Raum durchquerte, um auf einen stoffbespannten Stuhl mit Holzrahmen zuzugehen. »Nicht unsere Glefen töten die Albträume, sondern unsere wilde Entschlossenheit, die Furcht erregt. Das ist etwas, das wir mit den Mistkerlen gemeinsam haben – wir töten durch das Grauen, das wir einflößen.«
    Genau das war die Ursache für das Zerwürfnis zwischen ihm und seinen Eltern – ein Elternteil ein Heilender Wächter, der andere ein Pfleger. Sie konnten nicht verstehen, dass er diesen Weg eingeschlagen hatte, und die ständigen Fragen, mit denen sie ihn bedrängten, hatten ihn schließlich vertrieben. Er schien nicht erklären zu können, warum er gegen die Albträume arbeiten musste, statt hinter ihnen herzuräumen. Da er außer ihnen keine anderen leiblichen Verwandten hatte, blieb ihm nur noch eine einzige emotionale Bindung, nämlich die zu Connor. Ein Mann, den er wie einen Bruder liebte und respektierte.
    »Und womit erklärst du dir, wie es dazu gekommen ist, dass wir jetzt in diesem Einschluss leben?«, erkundigte sich Connor und ließ sich auf den Stuhl ihm gegenüber sinken, »wenn es keinen Schlüssel gibt?«
    In der Legende hieß es, die Albträume hätten einen Schlüssel zu ihrer alten Welt gefunden – der Welt, an die sich Aidan nicht erinnern konnte, weil er noch zu jung gewesen war. Dann hatten sich die Albträumeausgebreitet und alles vernichtet. Den Ältesten blieb kaum Zeit, die Spalte innerhalb des verkürzten Raums zu erschaffen. Sie gestattete es ihnen, in die Ebene zwischen der menschlichen und der anderen Dimension zu entkommen, die die Wächter gezwungenermaßen aufgegeben hatten.
    Aidan hatte eine Weile gebraucht, um das Konzept multipler Daseinsebenen und das Raum-Zeit-Kontinuum vollständig zu erfassen – eines ein Produkt der Metaphysik, das andere eines der Physik. Aber die Vorstellung, ein einziges Wesen – der Schlüssel – sei dazu fähig, diese Spalten nach Belieben aufzureißen und die Inhalte einer Ebene in eine andere zu schütten, zählte zu
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