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Vergiss mein nicht!

Vergiss mein nicht!

Titel: Vergiss mein nicht!
Autoren: Kasie West
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wenn?« zu unterscheiden.
    »Glaubst du, dass sechs Wochen reichen?« Die Ankündigung meiner Eltern ließ mich alles infrage stellen. Normalerweise wusste ich genau, was die Zukunft bringen würde und was nötig war, um mein Ziel zu erreichen. Nicht weil ich jede Alternative auslotete – das tat ich nicht –, sondern weil ich gerne plante. Pläne waren etwas Großartiges. Aber jetzt wusste ich einfach nicht weiter. Ich war verwirrt und frustriert. Ich rieb mir die Augen.
    »Das sollte mehr als genug sein.«
    Mit einem tiefen Seufzer zog ich meine Schultern hoch und ließ sie wieder sinken.
    Laila, wie immer schnell entschlossen, sagte: »Und, worauf wartest du?«
    »Du meinst, ich soll es jetzt machen?«
    »Ich glaube, es würde dir danach besser gehen.«
    Ich schnappte mir ein Kissen, zog es an die Brust und legte mich hin. Quer über der Zimmerdecke stand das Aristophanes-Zitat, das ich gemalt hatte: »Worte prickeln das Denken und entzücken den Geist.« Aus irgendeinem Grund stach es zwischen all den anderen Zitaten dort oben heraus. »Ich weiß nicht. Sechs Wochen sind ein langer Zeitraum. Ich fände es schrecklich, wenn so viele detailgetreue Erinnerungen da oben herumschwirren würden.«
    »Wieso? Diese Woche bis zum Ehemaligenball war doch ziemlich abgefahren. Ich fand’s toll zu wissen, dass der Absatz meines roten Schuhs am Mittwoch nach der dritten Stunde abbrechen würde und dass wir am Freitag einen unangekündigten Test schreiben würden.«
    »Stets zu deinen Diensten. Warum lote ich für dich nicht jede Alternative von jetzt bis zum Tod aus?«
    »Ja, ganz im Ernst, warum eigentlich nicht?« Sie gab mir einen Klaps aufs Bein. »Wartest du auf mein Angebot oder machst du dich bloß lächerlich? Du weißt, dass ich die Alternative, für die du dich nicht entscheidest, löschen kann, du brauchst also nicht so zu tun. Manchmal frage ich mich, ob du mich bloß wegen meiner bewundernswerten Gabe als beste Freundin ausgesucht hast.«
    »Ach. Dein Talent hat sich sowieso erst in der siebten Klasse gezeigt.« Ich schwieg kurz und drehte dann meinen Kopf. »Moment mal. Willst du damit etwa sagen, dass ich dein Talent zu oft ausnutze?«
    »Sag ich nicht«, trällerte sie. »Und es stimmt. Du hast mich nicht wegen meines Talents ausgesucht. Du hast mich genommen, weil ich Timothy geschubst hab, als er dein virtuelles Haustier gestohlen hat.«
    Ich lächelte und holte tief Luft. Ich verdrängte die Entscheidung. Ich war mir immer noch nicht sicher, ob ich es wirklich wissen wollte. Ob ich wirklich so weit war, erfahren zu wollen, wie mein neues Leben aussehen würde. Meine Eltern hatten zugegeben, dass der einzige Grund, warum sie die Entscheidung mir überlassen hatten, meine Gabe war. Warum sollte ich also nicht auf Nummer sicher gehen, welche Entscheidung sich als die bessere herausstellen würde?
    »Bist du bereit?«, fragte Laila.
    Ich nickte. Ich musste es wissen.
    »Also, was soll ich machen? Einfach nur hier sitzen? Brauchst du irgendetwas?«
    Ich lachte. »Nein, nicht nötig. Es könnte eine Weile dauern. Bist du dir sicher, dass du warten willst?«
    »Bitte, das wäre ja genauso, als würdest du jemanden fragen, ob er das Zimmer verlassen möchte, während Picasso ein Meisterwerk malt.«
    »Du vergleichst mich mit Picasso?«
    »Du weißt, was ich meine. Jetzt fang an.«
    Ich kuschelte mich tiefer ins Kissen und versuchte mich zu entspannen. Gar nicht so einfach, wenn einem klar ist, dass man gleich mit Erinnerungen von einem Leben überflutet wird, das man noch nicht gelebt hat. Genau genommen von zwei Leben, die man noch nicht gelebt hat. Laila würde es nur wie fünf Minuten vorkommen, für mich würde es sich aber wie ein Monat anfühlen. Ich konzentrierte mich auf das Kraftfeld um mich herum und alles verschwamm.

3.
    PARAdigma, das – etwas, das als Muster oder Vorbild dient
    S ollte Kindern geschiedener Eltern nicht jeder Wunsch erfüllt werden, von wegen extremer Schuldgefühle auf beiden Seiten?«, frage ich beim Frühstück, eine Woche nachdem mein Dad ausgezogen ist. Das Haus fühlt sich anders an ohne ihn ... leer.
    »Du bekommst kein neues Auto«, sagt meine Mutter von ihrem Platz am Küchentisch hinter ihrem Laptop. Ein Bleistift hält ihre blonden Locken in einem Knoten im Nacken zusammen und sie greift danach, um sich kurz etwas auf ihren Block zu notieren. Ihre Haare fallen ihr über die Schulter und erinnern mich daran, wie sehr sie meinen gleichen. Als ich gerade denke, dass sie mal
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