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Vergiss mein nicht!

Vergiss mein nicht!

Titel: Vergiss mein nicht!
Autoren: Kasie West
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sagt das Gesicht meiner Mom.
    Töne erklingen, während Bilder in rascher Abfolge über den Bildschirm flimmern. Ich lehne mich zurück. Entspannung kommt überhaupt nicht infrage.

4.
    NORMal – dem Standard entsprechend
    I ch liege auf dem Sofa in unserem neuen Haus und starre auf den Deckenventilator, der sich langsam im Kreis dreht. Das ist sicher der ineffizienteste Weg, einen Raum zu kühlen. Ich sehne mich nach der Gegenstromklimaanlage in unserem Haus im Sektor. Mein Dad ist mit mir in ein möbliertes Mietshaus gezogen, in Dallas, Texas. Vom Zustand und Stil der Ausstattung her muss es vor vierzig Jahren eingerichtet worden sein. Abgesehen von den Uralt-Möbeln ist das Haus kahl – seine Wände sind weiß und leer.
    Auf dem Boden um mich herum habe ich die Pflichtlektüre ausgebreitet, die ich beim Verlassen des Sektors ausgehändigt bekommen habe. Wenn man bedenkt, dass ich den halben Tag im Turm verbracht habe, bevor wir losgefahren sind – ich musste an einem vorgeschriebenen Norm-Training-Kurs teilnehmen, wurde über meine neue Vorgeschichte unterrichtet und erhielt Norm-Papiere wie Führerschein und Geburtsurkunde –, hatte ich nicht geglaubt, dass es noch irgendetwas geben würde, das in meinen Kopf passen könnte. Ich hatte mich geirrt. Zum Abschluss gaben sie mir noch Lesematerial mit – ein extra dickes Paket, das meine Norm-Geschichtskenntnisse auffrischen sollte.
    Ich war nicht untätig geblieben, um diesem Roman von einer Hausaufgabe aus dem Weg zu gehen, verfasst von jemandem, der nicht ansatzweise vorhatte, das Ganze auch nur im Geringsten unterhaltsam zu gestalten. Ich hatte ausgepackt und mein Zimmer eingerichtet – bis hin zu den Klamotten, die ich nach Farben einsortiert hatte. Sogar die unausgepackten Kartons hatte ich durchforstet, auf der Suche nach meinem Bücherkarton, den ich ganz deutlich mit schwarzem Edding beschriftet hatte, um genau diese Situation zu vermeiden. Keine Ahnung, wo sich der Karton jetzt befindet. Wahrscheinlich irgendwo in der Garage unter den Hunderten von Kartons begraben, auf denen stehen sollte: »Dads Müll«.
    Ich schnappe mir einen Teilabschnitt aus dem Paket Erster Weltkrieg und fange an zu lesen. Die Normalen glauben, dass Erzherzog Franz Ferdinand kein Paranormaler war. Sie machen eine politische Intrige für seine Ermordung verantwortlich und nicht die Tatsache, dass die Leute fürchteten, er könne sie mit seinem Verstand kontrollieren. Ich sage das ein paar Mal vor mich hin: »Der Erste Weltkrieg ist nicht wegen eines Paranormalen ausgebrochen.« Ich blättere noch ein bisschen durch die Kriegsgeschichte der Normalen, dann lege ich den Packen zur Seite, greife nach dem Abschnitt über die Raumfahrt und rufe mir ein paar seltsame Vorstellungen ins Gedächtnis, die sie hier über die Mondlandung haben.
    »Langweilig«, stöhne ich. Meine Hand fängt an zu schwitzen, weil ich mein Handy damit fest umklammert halte. Ich weiß, dass Laila frühestens in einer Stunde anrufen kann, sie ist noch in der Schule, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sie schwänzt. Wir haben seit gestern nicht mehr gesprochen.
    Es klingelt an der Tür und ich falle praktisch über mein Lernmaterial, so eilig habe ich es aufzumachen. Die Sonne sticht in meinen Augen und ein stickiger, heißer Luftschwall schlägt mir ins Gesicht, als ich die Tür öffne.
    Es ist der Postbote und er hält mir ein Klemmbrett entgegen. »Können Sie mir die Empfangsbestätigung für ein Päckchen unterschreiben?«
    Ich stecke mein Handy in die Hosentasche und greife nach dem Klemmbrett. »Klar.« Ich kritzle meinen Namen in das Feld, auf das er deutet. Er reicht mir einen großen, wattierten Umschlag und macht sich wieder auf den Weg.
    »Wie läuft’s denn so?«, platze ich heraus. »Alles cool?«
    Er bleibt stehen. »Es ist Oktober. Jetzt fängt es an, bei uns kühl zu werden.« Er zwinkert mir zu.
    »Im Ernst?«
    »Du wirst dich dran gewöhnen. Willkommen in Dallas«, sagt er und geht.
    »Danke.« Das Handy in meiner Hosentasche vibriert. »Hallo?«
    »Vermisst du mich schon?«, fragt Laila.
    Ich schließe die Tür. »Sagen wir einfach nur, dass ich so ausgehungert nach Kontakt bin, dass ich eben mit dem Postboten Small-Talk betrieben habe.«
    »War er denn süß?«
    »Wahrscheinlich war er fünfzig.«
    »Igitt.«
    Ich werfe einen Blick auf den wattierten Umschlag in meiner Hand. Er ist an meinen Dad adressiert und ohne Absender. Ich gehe in die Küche und fahre ungeduldig mit meinen
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