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Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Titel: Vergiss den Sommer nicht (German Edition)
Autoren: Morgan Matson
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erfahren wollte.
    Obwohl ich schon seit fünf Jahren nicht mehr in unserem Sommerhaus gewesen war, kannte ich praktisch jede Kurve auf dem Weg dorthin. Meine Eltern hatten das Haus noch vor meiner Geburt gekauft und viele Jahre jeden Sommer mit uns dort verbracht – immer von Anfang Juni bis Ende August, während mein Vater allein in Connecticut blieb und nur an den Wochenenden zu uns stieß. Diese Sommer waren für mich immer das absolute Highlight des Jahres gewesen und das ganze Schuljahr lang zählte ich die Tage, bis endlich wieder Juni war und die Verheißungen des Sommers in Lake Phoenix näher rückten. Doch als ich zwölf war, hatte der Sommer in Lake Phoenix so katastrophal geendet, dass ich unendlich erleichtert war, als ich hörte, dass wir im Jahr darauf nicht herkommen konnten. Das war auch der Sommer, in dem Warren beschlossen hatte, sich voll auf seine Bewerbungsmappe zu konzentrieren und deshalb einen Intensivkurs zur Studienvorbereitung in Yale belegt hatte. Gelsey hatte gerade ihre Ballettlehrerin gewechselt und wollte ihr Training nicht einen ganzen Sommer lang unterbrechen. Und mir – mit null Bock darauf, nach Lake Phoenix zu fahren und mich dort mit dem von mir angerichteten Schlamassel auseinanderzusetzen – war es gelungen, ein Meereskunde-Camp ausfindig zu machen (ich hatte mal so eine Phase, in der ich unbedingt Meeresbiologin werden wollte, das hat sich aber inzwischen wieder gegeben) und meine Eltern so lange zu nerven, bis sie mich fahren ließen. Und seitdem passierte offenbar jedes Jahr irgendwas anderes, das uns daran hinderte, den Sommer in Lake Phoenix zu verbringen. Gelsey fuhr bald regelmäßig zu irgendwelchen Ballett-Workshops, während Warren und ich uns öfter bei diversen Sommerkursen einschrieben (einmal baute er einen Spielplatz in Griechenland und ich verbrachte einen Sommer mitdem – leider missglückten – Versuch, in Vermont bei einem Sprachbegegnungskurs Mandarin-Chinesisch zu lernen). Als immer offensichtlicher wurde, dass wir alle viel zu beschäftigt waren, um uns die ganzen Sommermonate freizunehmen und sie zusammen in Pennsylvania zu verbringen, beschloss meine Mutter, unser Sommerhaus zu vermieten.
    Das sollte in diesem Jahr eigentlich wieder so sein. Gelsey wollte wieder zu ihrem Ballett-Workshop, wo sie als vielversprechendes Talent galt, Warren hatte sich ein Praktikum in der Anwaltskanzlei meines Vaters organisiert, und ich hatte mir vorgenommen, so oft und so lange wie möglich in der Sonne zu liegen. Ich konnte es kaum erwarten, dass dieses Schuljahr endlich vorbei war. Mein nunmehr Ex-Freund Evan hatte sich einen Monat vor Ferienbeginn von mir getrennt, und meine Freunde waren allesamt auf seine Seite desertiert – angeblich um die Gruppe nicht zu spalten. Unter normalen Umständen wäre mir die Aussicht auf eine Flucht aus der Stadt ausgesprochen verlockend vorgekommen, da ich ja auf einen Schlag sämtliche Freunde und sonstigen Sozialkontakte verloren hatte. Aber ich wollte nie wieder nach Lake Phoenix zurück. Seit fünf Jahren hatte ich nicht mal einen Fuß in den Bundesstaat Pennsylvania gesetzt. Dass wir diesen Sommer komplett zu fünft dort verbringen würden, wäre noch vor drei Wochen niemandem auch nur im Traum eingefallen. Und dennoch fand genau das gerade statt.
    »So, da wären wir«, verkündete Warren aufgekratzt, und ich merkte, wie das Auto langsamer wurde.
    Ich öffnete die Augen, setzte mich auf und schaute mich um. Mein erster Eindruck war: grün. Die Bäume zu beiden Seiten der Straße leuchteten genauso satt und kräftig wie das Gras ringsum. Das Laub war so dicht, dass man die Einfahrten und die Häuser dahinter kaum erkennen konnte. Ein Blick auf die Temperaturanzeige sagte mir, dass es hier zehn Grad kühler war als in Connecticut. Ob es mir nun passte oder nicht – ich war wieder im Gebirge.
    »Na endlich«, maulte Gelsey vom Beifahrersitz.
    Ich versuchte, meinen Nacken aus der verdrehten Position, in der ich geschlafen hatte, wieder einzurenken und war ausnahmsweise mal völlig einer Meinung mit meiner Schwester. Warren fuhr jetzt noch langsamer, setzte den Blinker und bog in unsere Kieseinfahrt ein. Alle Einfahrten in Lake Phoenix waren mit Kies bedeckt, und an unserer hatte ich immer den Fortgang des Sommers gemessen. Im Juni schaffte ich es barfuß kaum vom Auto bis zur Haustür, weil sich jedes einzelne Steinchen schmerzhaft in meine blassen, zarten, das ganze Jahr durch Schuhe verhätschelten Fußsohlen bohrte. Aber
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