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Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Vergiss den Sommer nicht (German Edition)

Titel: Vergiss den Sommer nicht (German Edition)
Autoren: Morgan Matson
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mich erwartete. Möglicherweise war ich länger unterwegs gewesen, als ich dachte. Am Steuer eines tiefliegenden silbernen Fahrzeugs saß mein Vater und lächelte mich an. »Hallo, Kleines«, rief er durchs offene Beifahrerfenster. »Willst du mitfahren?«
    Da ich genau wusste, dass es zwecklos war, irgendwas zu leugnen, öffnete ich die Beifahrertür und stieg ein. Mein Vater sah mich an und zog die Augenbrauen hoch. »Na, was gibt’s Neues?«, fragte er. Das war seine Standardbegrüßung.
    Ich zuckte die Schultern und starrte auf die grauen Fußmatten, die immer noch blitzsauber waren, obwohl er das Auto schon seit einem Jahr hatte. »Ach weißt du, ich … hatte einfach Lust auf einen Spaziergang.«
    Dad nickte. »Klar«, sagte er übertrieben ernsthaft, als ob er mir meine Antwort abkaufte. Dabei wussten wir beide sehr genau, was los war, denn meistens war es mein Vater gewesen, der mich bei meinen Fluchtversuchen eingesammelt hatte. Offenbar wusste er immer sofort, wo er suchen musste, und oft, wenn es noch nicht allzu spät war, sind wir – statt direkt nach Hause zu fahren – manchmal noch Eis essen gegangen. Was ich meiner Mutter natürlich nicht verraten durfte.
    Ich schnallte mich an, doch zu meiner großen Überraschung wendete mein Vater nicht, sondern bog in die Straße ein, die in Richtung Stadtzentrum führte. »Wo willst du denn hin?«, erkundigte ich mich.
    »Ich dachte, wir könnten ein anständiges Frühstück vertragen«, erklärte er und sah zu mir herüber, als er an einer Ampel anhielt. »Aus unerfindlichen Gründen sind zu Hause nur Sesam-Bagels im Angebot.«
    Ich musste lächeln. Nach einer Weile hielten wir an, stiegen aus und gingen zusammen in das Schnellrestaurant Stanwich Deli. Da es ziemlich voll war, hielt ich mich im Hintergrund und ließ ihn bestellen. Als ich mich ein bisschen umsah, entdeckte ich ganz vorn in der Warteschlange Amy Curry, Hand in Hand mit einem süßen Typen, der ein T-Shirt vom Colorado College anhatte. Ich kannte sie nur flüchtig, weil sie erst letzten Sommer mit ihrer Mutter und ihrem Bruder in unsere Straße gezogen war, aber sie winkte mir lächelnd zu und ich winkte zurück.
    Dann beobachtete ich Dad, wie er unsere Bestellung herunterrasselte und noch etwas sagte, was die Bedienung hinter der Ladentheke zum Lachen brachte. Wenn man meinen Vater so ansah, wäre man nie auf die Idee gekommen, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Er war höchstens ein bisschen schmaler und seine Haut ganz leicht gelblich. Aber das versuchte ich zu verdrängen, als ich zusah, wie er etwas in das Trinkgeldglas steckte. Ich gab mir größte Mühe, zu ignorieren, wie erschöpft er wirkte, und schluckte den Kloß im Hals hinunter. Aber vor allen Dingen versuchte ich nicht daran zu denken, was uns von den Ärzten gesagt worden war: dass er nur noch ungefähr drei Monate zu lebenhatte.

Kapitel 2
    »Müssen wir uns das jetzt echt anhören?«, stöhnte Gelsey auf dem Beifahrersitz zum ungefähr dritten Mal innerhalb von zehn Minuten.
    »Vielleicht lernst du ja noch was«, kam Warrens Stimme vom Fahrersitz. »Stimmt’s, Taylor?«
    Ich hatte es mir auf dem Rücksitz bequem gemacht und statt einer Antwort schob ich mir die Sonnenbrille zurecht und stellte meinen iPod lauter. Von Stanwich, Connecticut, wo wir wohnten, bis nach Lake Phoenix brauchte man nur drei Stunden mit dem Auto, aber es kam mir vor wie die längste Fahrt meines Lebens. Und da mein Bruder fuhr wie ein Rentner (er hatte echt schon mal einen Strafzettel wegen Verkehrsbehinderung durch zu langsames Fahren bekommen), brauchten wir über vier Stunden, bis wir endlich da waren – und damit war es tatsächlich fast die längste Autofahrt meines Lebens.
    Wir saßen nur zu dritt in dem alten Land Cruiser mit Holzbeplankung, den ich mir mit Warren teilte. Meine Eltern waren schon vorgefahren und transportierten mit Moms Auto sämtliche Vorräte, die wir für einen ganzen Sommer in unserem Feriendomizil brauchen würden. Ich für meinen Teil verbrachte die Fahrt im Wesentlichen damit, den Zoff meiner Geschwister, bei dem es eigentlich immer nur darum ging, was wir als Nächstes anhören wollten, so gut es eben ging zu ignorieren. Gelsey drängte ständig auf die Bentley Boys und Warren bestand darauf, dass wir uns irgendwelche Vorlesungen von seiner Streber-CD »Great Courses« antaten. Diesmal hatte sich Warren durchgesetzt, sodass mir nun eine leiernde, britisch klingende Stimme mehr über Quantenmechanik mitteilte, als ich je
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