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Vergiftet

Vergiftet

Titel: Vergiftet
Autoren: Thomas Enger
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die Ellbogen auf den Knien und legt die Hände unter das Kinn. Seine Augen wandern zu dem Eimer, der auf dem grauen Linoleumboden steht und vor Müll überquillt. Auf einem Brett vor ihm steht ein Aschenbecher, daneben liegen Feuerzeug und Fernbedienung. Seine besten Freunde. Und um ihn herum seine ärgsten Feinde.
    Entschlossen steht er auf und tritt auf einen Flur, der beinahe so lang wie ein Handballfeld ist, nur enger. Rechts und links der dicken gelben Striche stehen Bänke und Tische. Er nickt der Person in dem Glaskäfig kurz zu, deutet auf das Telefon, erhält ein Nicken als Antwort und geht langsam auf den Tisch mit der roten Plastikdecke zu. Neben dem grauen Telefon stapeln sich Zettel und Formulare. Pulli sieht auf die Uhr an der Wand. Zwanzig Minuten, maximal.
    Er nimmt den Hörer ab, legt aber gleich wieder auf. Hast du alles getan, was in deiner Macht steht?, fragt er sich. Kann dir sonst wirklich niemand helfen?
    Nein, andere Möglichkeiten gibt es nicht.
    5
    Hennings Hemd klebt ihm am Rücken, als er an der Ecke vor dem Café Con Bar stehen bleibt. Auf der anderen Straßenseite liegt der Vaterlandspark wie ein Hohlraum, eine Kerbe zwischen dem Plaza Hotel und der stark pulsierenden Verkehrsader nach Oslo-Grønland. Neben ihm schiebt sich ein Menschenstrom über das holprige Pflaster. Die Autos dröhnen.
    Henning zieht seine verschlissene Jeansjacke aus und hält nach einem freien Tisch Ausschau. Hätte Erling Ophus nicht darauf bestanden, in die Stadt zu kommen und sich in der Nähe seines ehemaligen Arbeitsplatzes mit ihm zu treffen, wäre Henning nicht im Leben auf die Idee gekommen, an einen derart belebten Ort zu gehen.
    Henning hat Ophus schon zigmal interviewt, ihn aber noch nie persönlich getroffen. Wenn dieser Mann an einem Tatort auftauchte, hatten die Flammen sich in der Regel längst gelegt und die Journalisten sich zum Schreiben zurückgezogen. Es hat Henning überrascht, dass Ophus einem Gespräch zustimmte, noch dazu an einem Samstag, statt sich dem gemächlichen Leben in Leirsund zu widmen.
    Es dauert nicht lange, bis er Ophus auf der gegenüberliegenden Straßenseite entdeckt. Der pensionierte Feuer-Sachverständige wartet vorbildlich, bis die Ampel grün wird, bevor er die Straße überquert. Henning erhebt sich, geht Ophus ein paar Schritte entgegen, streckt den Arm aus. Der hoch aufgeschossene Mann in dem weißen kurzärmeligen Hemd und der dunkelblauen Hose schlägt lächelnd ein.
    »Hallo«, sagt Henning. »Danke, dass Sie gekommen sind.«
    »Ach was, ich muss Ihnen danken. Meine Frau hatte einen Gartentag auf allen vieren in den Rabatten geplant. Sie haben mir da eine gute Entschuldigung für einen Ausflug in die Stadt geliefert. Außerdem kann ich so hinterher auch noch einen Plausch mit alten Kollegen halten, vorausgesetzt, sie arbeiten.« Ophus lächelt und lässt Hennings Hand los. Er deutet auf einen Stuhl auf der anderen Seite des Tischs, und sie setzen sich.
    Ophus sieht kerngesund aus, sonnengebräunt und frisch rasiert. Die Falten auf seiner Stirn sind wellenförmig und tief, und er hat einen auffälligen Leberfleck auf der linken Wange, aber ohne diese markanten Merkmale wäre sein Gesicht ärmer.
    Ein Kellner mit Strubbelfrisur und dicken Ringen unter den Augen kommt an ihren Tisch.
    »Wollen Sie etwas trinken?«, fragt Henning.
    »Ja, ich nehme gerne einen Kaffee.«
    »Zwei Kaffee«, sagt Henning zu dem Kellner, der sich wortlos umdreht. Henning hält sein neues Handy hoch. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich unser Gespräch aufnehme?«
    »Nein, nein. Völlig in Ordnung.«
    Henning drückt auf die rote Taste auf dem aktiven Display und sieht, dass die Aufnahme startet. Dann räuspert er sich und sagt: »Wie ich bereits am Telefon erwähnte, bin ich gerade an einer Sache dran …«
    »Ja, das habe ich verstanden.«
    Henning will gerade seine erste Frage stellen, als das Handy klingelt.
    »Tut mir leid, ich muss …«
    »Macht nichts«, antwortet Ophus und winkt ab.
    Henning schaut auf das Display. Unbekannt . Sicher nichts Wichtiges, denkt er und drückt den Anruf weg.
    »Neuer Versuch«, sagt er mit einem Lächeln. »Sie haben als Feuer-Sachverständiger langjährige Erfahrung als Brandermittler?«
    »Das stimmt«, sagt Ophus stolz. »Ich schätze, ich habe in Norwegen die meisten Fälle bearbeitet. Als ich in Pension gegangen bin, haben gleich mehrere Versicherungsunternehmen versucht, mich zu krallen, aber mein Beschluss aufzuhören galt für alle Bereiche.
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