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Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition)

Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition)

Titel: Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition)
Autoren: Henryk M. Broder
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Klauen der Klassenjustiz befreite, später Soziologe, der die Arbeit von Max Weber und Emile Durkheim fortsetzte. Mein besonderes Interesse galt der Darstellung der Sexualität in Wort und Bild, die Feldarbeit leistete ich in Antiquariaten, die »Bücher für Erwachsene« anboten: »Die vollkommene Ehe« von Theodor Hendrik van de Velde, »Josefine Mutzenbacher« von Felix Salten, die »Venus im Pelz« von Leopold von Sacher-Masoch, die »Sittengeschichte« in sechs Bänden von Eduard Fuchs. Mit 24 schrieb ich mein erstes Buch, »Wer hat Angst vor Pornographie?«, eine wilde Suada gegen Zensur im Literaturbetrieb, die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften und notgeile Staatsanwälte, die sich bei der Jagd auf unanständige Bücher abreagierten. Ich ließ mich, nur mit einem Handtuch bekleidet, als Pin-up-Boy fotografieren, was meine Eltern dermaßen aus der Fassung brachte, dass sie ihre Streitigkeiten für eine Weile einstellten.
    So tobte ich durch das Leben, wie ein Kind auf einer Kirmes, vom Autoscooter zur Achterbahn, vom Kettenkarussell zum Riesenrad. Es gab damals kein Facebook, kein Internet, keine Klimakatastrophe und kein allgemeines Rauchverbot. Wer etwas erleben wollte, konnte aus dem Haus gehen, ohne sich dabei Sorgen über den CO 2 -Fußabdruck zu machen, den er den nachfolgenden Generationen hinterließ.
    Anfang September 1972 kam es zu dem »Massaker von München«. Palästinensische Terroristen aus dem Umfeld des »Schwarzen September« überfielen die israelische Olympiamannschaft, nahmen elf israelische Sportler als Geiseln und brachten zwei von ihnen gleich bei der Geiselnahme um. Die übrigen neun wurden bei einem missglückten Befreiungsversuch getötet.
    Ich gab mir damals alle Mühe, das Ereignis zu ignorieren oder es zumindest nicht als das wahrzunehmen, was es war: ein politisch motivierter Mord an Juden unweit der Stelle, an der bis 1945 einige zehntausend Häftlinge im Konzentrationslager Dachau vom Leben zum Tode befördert worden waren. Noch auffälliger war, wie der Anschlag in den Medien kommentiert wurde: zum einen als ein Versagen der deutschen Sicherheitsorgane, zum anderen als Reaktion auf die Politik Israels den Palästinensern gegenüber. Vor allem aber als eine Bedrohung für die »heiteren Spiele«, die »eine Werbung für die Bundesrepublik Deutschland sein« sollten (Willy Brandt), ein unbeschwertes, fröhliches Land, weltoffen und gastfreundlich, ganz anders als das Dritte Reich, das sich 1936 mit Olympischen Spielen schmückte.
    Nach dem Tod der elf israelischen Sportler wurden die »heiteren Spiele« fortgesetzt, als wäre ein Lieferwagen mit Leberkäse auf dem Weg zum Olympiapark verunglückt. Die heiteren Spiele gingen mit einer heiteren Feier zu Ende. Danach ging es nur noch um die Frage, ob die Bundesrepublik »Schadenersatz« an die Angehörigen der Opfer zahlen sollte.
    Vier Jahre später, im Sommer 1976, wurde eine Air-France-Maschine auf dem Flug von Tel Aviv nach Paris nach einer Zwischenlandung in Athen von zwei Terroristen der »Volksfront zur Befreiung Palästinas« und zwei Angehörigen der deutschen »Revolutionären Zellen« über Bengasi in Libyen nach Entebbe in Uganda entführt. Die Entführer wollten über 50 inhaftierte Gesinnungsgenossen aus Gefängnissen in Israel, Deutschland, Frankreich und der Schweiz freipressen, darunter Angehörige der RAF und der »Bewegung 2. Juni«.
    Bis dahin handelte es sich um ein »normales« terroristisches Unternehmen. Dann aber fand auf dem Flughafen von Entebbe eine Selektion statt: 80 Israelis und 22 Juden mit französischen Pässen wurden aussortiert und festgesetzt, die übrigen Passagiere freigelassen. Sie durften mit einer anderen Air-France-Maschine heimfliegen.
    Da die palästinensischen Terroristen aufgrund gewisser Bildungsdefizite nicht imstande waren, Juden von Nichtjuden anhand der Namen in den Pässen zu unterscheiden, übernahm der deutsche Terrorist Wilfried Böse – nomen est omen – diese Aufgabe. Als ihm einer der jüdischen Passagiere seine auf den Unterarm eintätowierte KZ-Nummer zeigte, soll Böse gesagt haben, er sei kein Nazi, sondern ein »Idealist«.
    Eine Woche nach der Entführung der Air-France-Maschine, in der Nacht vom 3. auf den 4. Juli 1976, landete ein israelisches Kommando in Entebbe, liquidierte die Geiselnehmer, befreite die Geiseln aus der Obhut der ugandischen Armee und flog sie über Nairobi nach Tel Aviv. Bei der Befreiungsaktion kamen drei der 103 Geiseln ums
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