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Vergessene Tränen im Regenwetter

Vergessene Tränen im Regenwetter

Titel: Vergessene Tränen im Regenwetter
Autoren: Stephanie Berth-Escriva
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Alexander griff automatisch nach Papierservietten, ließ es aber bleiben, schnappte ihr Handgelenk und zog sie dicht zu sich.
"Halt den Mund und küss mich!", flüsterte er, ihr Widerstand dauerte nur einen kurzen Atemzug, bevor sie sich in seine Arme gleiten ließ und seine unterdrückte Zärtlichkeit empfing, wild und ungehalten. Er hatte sich hoffnungsvoll in diese Frau vernarrt, dabei wusste er ebenso wie sie, dass er das nicht durfte. Aber ihre Küsse schmeckten so gut, ihre enge Nähe gegen seinen Körper machte ihn verrückt, jeder Funken von Vernunft verlöschte.

Die beiden hatten zu diesem Augenblick noch keine Ahnung, wo sie ihre Geschichte hinführen mochte und bemühten sich, so unauffällig wie möglich die restlichen Stunden des Tages zu verbringen. Sonia war eine gewisse Veränderung an Nathalie aufgefallen. Als sie sich erkundigte, ob sie endlich schwanger sei, bekam sie als kalte Antwort serviert, sie solle sich um ihren Kram kümmern. Nathalie nahm heimlich ihre Pille wieder.

Yoann reagierte etwas bissiger gegenüber seinem offensichtlichen Schwarm, der ihm absolut keine Aufmerksamkeit mehr schenkte. Aufdringlich passte Yoann den Sicherheitsangestellten hinter der Toilettentür ab und wollte ihn mit irgendwelchen anzüglichen Bemerkungen aus der Reserve locken, was ihm auch gelingen sollte. Alexander platzte endlich der Kragen, er wusch sich gerade die Hände, trocknete sie sich nicht einmal ab, als er mit unerwarteter Schnelligkeit den dünnen Hals des Mannes umfasste und ihn mit unverminderter Wut gegen die Wand drückte.
"Wirst du irgendwann einsehen, dass mich dein Angebot nicht interessiert? Such dir einen anderen!" Yoann wurde kreidebleich, gleich darauf knallrot und hustete und keuchte, als Alexander ihn wieder losließ.
"Das wirst du mir büßen ...", stieß er hervor.
"Na klar! Immer zu! Weil ich nicht mit dir schlafen will, gelte ich jetzt als Homophobe!", brüllte Alexander, knallte die Tür hinter sich zu und nahm seinen Arbeitsplatz wieder auf.
In der Tat konnte dieser Zwischenfall nicht ungestraft bleiben. Yoann beklagte sich wegen Gewalttätigkeit und drohte mit einer Anzeige. Dazu konnte es nicht kommen, da es keine Zeugen gab. Alexander musste dennoch sobald wie möglich seinen Arbeitsplatz verlassen und wurde von einem Kollegen der Agentur ersetzt.
Nathalie bekam von diesem Aufruhr erst etwas mit, als er bereits gegangen war. Er hatte seine Sachen eingesammelt und war nicht mehr da. Auf dem Tisch in der Umkleide lag ein Paket seiner Zigaretten, er rauchte gerne und bevorzugte starken Tabak. Sie nahm das angefangene Paket an sich, bat Michel um Feuer und ging in den Innenhof, um zu rauchen.
"Seit wann rauchst du wieder?", erkundigte sich der Direktor der Boutique und schloss sich ihr an. Sie beobachtete ihn durch den Qualm hindurch.
"Kennst du die Handynummer von Alexander?" Er nickte bejahend.
"Kannst du mir sie geben?"
"Aber gewiss doch ..."
"Ich finde es so ungerecht, dass er gehen musste ..."

Am selben Abend teilte sie Alexander per Telefonnachricht mit, dass sie ihm helfen würde, wenn er etwas brauche, und wartete ungeduldig wie ein Teenager auf seine Antwort.
Die kam allerdings erst ein paar Tage später, denn er hatte einen günstigen Unterstellplatz für seinen VW-Bus auf dem Land gefunden. Wenn er dorthin fahren wollte, wäre es ihm von großer Hilfe, jemand würde ihn wieder zurück in die Stadt fahren. Dort hatte er sich ein Hotelzimmer für die restlichen Tage gemietet, bevor er seine Reise antreten würde.
Nathalies Herz machte einen Freudensprung. Sie hatte unzählige Überstunden und konnte sich ohne Weiteres einen freien Tag nehmen. So fuhren die beiden an einem goldenen Oktobertag raus aus der Stadt zu seiner besagten Adresse.
"Mein kleiner, ausgehungerter Vogel ist für einen Tag aus seinem goldenen Käfig entflogen", sagte er zärtlich, lud sie in ein reizendes Restaurant zum Mittag ein und genoss einen erfrischenden Spaziergang in der sanften Sonne an ihrer Seite, weit entfernt von den Augen anderer.
Am späten Nachmittag wieder in der Stadt angelangt, konnte sie der Einladung seiner umfänglichen Arme nicht widerstehen und begleitete ihn in sein billiges Hotel. Sie liebte ihn, wie sie nie zuvor in ihrem Leben einen Mann geliebt hatte. Sie war verloren, er auch, vielleicht würde sie ihn nie wieder sehen ...

Er wäre nicht der erste Reisende gewesen, der nicht lebend von seinem abenteuerlichen Unterfangen auf dem afrikanischen Kontinent zurückkam.

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