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Vergeltung

Vergeltung

Titel: Vergeltung
Autoren: Julie Hastrup
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aller Überraschung mitgeteilt,
dass die mobile Spezialeinheit verständigt worden war und diese im Lauf des
Nachmittags einen erfahrenen Ermittler schicken würde. Die Techniker aus Århus
waren gerade eingetroffen und dabei, das Gebiet nach Spuren abzusuchen, und
Teit Jørgensen hatte bereits ein Ermittlerteam eingesetzt, das außer Michael
noch aus seinem guten Freund David Johansen, Susanne Kemp und Egon Bjerregaard
bestand. Sie alle waren erfahrene und gute Polizisten, die seit mehreren Jahren
zur Polizei von Ringkøbing gehörten.
    »Du kannst Agnes Dam jetzt befragen.« Bettina Pallander, die
Abteilungssekretärin, steckte den Kopf zu Michaels Tür herein und lächelte ihm
aufmunternd zu.
    »Gut, ich komme«, sagte Michael und dachte sehnsuchtsvoll an die
Regale voller Süßigkeiten in der Statoil-Tankstelle. Widerwillig griff er nach
einem gelben Apfel und biss ein paarmal kräftig hinein, bevor er ihn in den
Abfalleimer feuerte.
    —
    Agnes Dam war eine
kräftige Frau Ende sechzig. Sie war blass, hatte gerötete, leicht vorstehende
Augen und trug eine lachsfarbene Seidenbluse, die durchgeschwitzt war.
    Michael lächelte ihr beruhigend zu,
während Bettina mit Kaffee und einer weiteren Schale gelber Äpfel kam.
    »Ich verstehe nicht, warum ich das Ganze noch einmal erzählen soll.
Ich habe doch bereits alles erzählt«, seufzte sie, während sie Michael mit
einem Blick bedachte, der zwischen Wut und Verwirrung schwankte.
    »Es tut mir sehr leid, aber wir wissen aus Erfahrung, dass es der
Erinnerung hilft, wenn man einen Tathergang mehrmals erzählt. Wir brauchen alle
Details, um ein so gravierendes Verbrechen wie dieses überhaupt aufklären zu
können.« Michael sah Agnes Dam ernst an, bevor er fortfuhr. »Wir wissen Ihre
Hilfe sehr zu schätzen. Nehmen Sie sich alle Zeit, die Sie brauchen. Erzählen
Sie von Anfang an.«
    Er rührte zwei gehäufte Löffel Zucker in den bitteren Kaffee. Er
wusste, dass die Frau ihren Hund hatte ausführen wollen, einen älteren
Labrador, der auf den Namen Trunte hörte, als sie Anna Gudbergsen gefunden hatte.
    »Ich bin wie üblich von zu Hause losgegangen. Ich wohne im
Bekkasinvej. Das ist nur wenige hundert Meter vom Wald entfernt. Trunte liebt
den Wald.«
    Agnes Dam stockte bei dem Gedanken an den Hund, der im Moment
draußen in der Rezeption von dem diensthabenden Beamten gehütet wurde.
    »Wie spät war es genau?«
    »Ich habe sogar auf die Uhr geschaut, als wir aufbrechen wollten,
weil ich für das Mittagessen einen Braten im Ofen hatte – für die Kinder und
Enkelkinder. Es war genau elf Minuten nach neun, als wir losgegangen sind. Das
Wetter war doch so schön heute Morgen. Das muss man sich mal vorstellen, dass
das erst heute Morgen war, es scheint mir viel länger her.«
    Michael nickte verständnisvoll.
    »Wir sind also losgegangen und dem breiten Weg wie üblich ein paar
hundert Meter in den Wald gefolgt. Dann hat Trunte plötzlich laut und anhaltend
gebellt. Sie ist stehen geblieben und hat an dem Gebüsch geschnuppert, und ich
bin ärgerlich geworden und habe sie mehrmals gerufen, ja, und dann bin ich
hingegangen und da … da lag sie.«
    Agnes Dam weinte still vor sich hin. Michael schob ihr behutsam die
Schachtel mit Kleenex hin, und sie schüttelte dankbar den Kopf und tupfte sich
vorsichtig die welken Wangen.
    »Haben Sie auf Ihrem Spaziergang jemanden gesehen? Jemanden, den Sie
kennen, oder jemand Fremden? Das ist sehr, sehr wichtig.« Michaels Finger
trommelten leicht auf die Tastatur in der Erwartung, etwas Brauchbares
festhalten zu können.
    Agnes Dam schüttelte langsam den Kopf.
    »Nein, wir waren allein. Ganz allein. Ich habe niemanden gesehen.
Ich habe mich eigentlich darüber gewundert, weil das Wetter doch so schön war.«
    »Kannten Sie Anna Gudbergsen?«
    »Nein, ich habe sie nicht gekannt. Ich meine, ich wusste natürlich,
wer sie war. Sie ist schließlich Gerts kleine Tochter. Sie wohnen nur ein paar
Straßen von uns entfernt, und ich habe sie oft im Viertel gesehen, aber richtig
gekannt habe ich sie nicht, nein.«
    Agnes Dam schniefte erneut. Michael knurrte laut der Magen.
    »Was für ein Glück, dass mein Åge sich um den Braten kümmern kann«,
rief Agnes Dam plötzlich, »sonst würde er total verbrennen. Jetzt können wir
ihn wenigstens heute Abend essen.«
    Michael nickte und lächelte, ein wenig verkrampfter diesmal.
    »Vielen Dank. Ich verstehe sehr gut, dass das ein äußerst unangenehmes
Erlebnis für Sie war, aber Sie waren uns
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