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Verfuehrung in aller Unschuld

Verfuehrung in aller Unschuld

Titel: Verfuehrung in aller Unschuld
Autoren: Annie West
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geliebten Vater wieder über sie herein. Heute, an ihrem ersten Tag in Freiheit, fehlte er ihr mehr denn je. Lucy schluckte hart und sah sich mit brennenden Augen um.
    „Wie sind Sie nur an die Baugenehmigung für die Tiefgarage gekommen?“, fragte sie, froh, dass ihre Stimme ihr gehorchte. „Wurde dieser Teil der Stadt nicht auf den Überresten des antiken Rom erbaut?“
    „Waren Sie noch nie hier unten?“ Ihr Begleiter musterte sie skeptisch.
    „Ich war nur das Au-pair-Mädchen, schon vergessen? Ich war nie mit der Familie im Auto unterwegs. Taddeo war damals noch sehr klein, und Ihre Schwägerin sah es nicht gern, wenn ich mit ihm das Haus verließ, nicht mal für einen Spaziergang im Park.“
    Sie glaubte, so etwas wie Verständnis in seinen Augen aufblitzen zu sehen.
    Nein, unmöglich. Er hasste sie doch. Er hielt sie für die Mörderin seines Bruders.
    „Bei den archäologischen Grabungen kam nichts Wertvolles zutage“, meinte er schulterzuckend.
    Und wenn, dann wäre die Garage trotzdem gebaut worden, dachte Lucy verbittert. Die Volpes bekamen immer, was sie wollten. Sie hatten dafür plädiert, dass Lucy verurteilt wurde, und so war es gekommen.
    Der Wagen hielt, und jemand öffnete ihr den Schlag. Zum Glück niemand von früher, sondern der Hüne, den sie auf der Straße beschimpft hatte. Was ihr jetzt ausgesprochen peinlich war.
    „Danke.“ So elegant wie möglich kletterte sie aus dem Wagen. Nach den Einheitshosen in der Strafanstalt war sie es nicht mehr gewohnt, einen Rock zu tragen.
    Nervös zog sie ihr Kostüm glatt und sah sich verstohlen um. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, weil sie in der Dämmerung eine vertraute Gestalt zu erkennen glaubte. Erleichtet atmete sie auf, als sie merkte, dass sie sich geirrt hatte.
    „Hier entlang, Signorina.“
    Gleich darauf fand sie sich in einem Teil der Villa wieder, den sie früher nie betreten hatte, doch die hohen Räume mit dem Flair von Reichtum und Eleganz waren ihr durchaus vertraut.
    Sie bekam eine Gänsehaut, sobald ihr der fast vergessene Geruch von Möbelpolitur, frischen Blumen und, wie sie einmal scherzhaft bemerkt hatte, Geld in die Nase stieg. Er ließ die ersten aufregenden Tage in diesem fremden Land wieder lebendig werden, als sie staunend ihre neue Umgebung erforscht hatte.
    Und die Erinnerung an jenen verhängnisvollen letzten Abend in diesem Haus.
    „Signorina Knight?“ Damals hatte er sie Lucy genannt, ein paar glückliche, unbeschwerte Stunden lang. Doch das war lange her.
    Ihr Blick wirkte gehetzt, ihr Gesicht auffallend blass.
    Endlich lässt sie die Maske fallen, dachte Domenico, aber es verschaffte ihm keine Genugtuung, zu sehen, wie unwohl sie sich im Haus seiner Familie fühlte. Beunruhigt stellte er fest, dass er sich auf einem schmalen Grat zwischen Abneigung und Faszination bewegte.
    Lucy Knight hatte ihn damals fasziniert, und sie tat es noch immer. Mehr, als ihm lieb war. Feindbeobachtung war schön und gut, durfte allerdings nicht in Mitleid oder Sympathie ausarten.
    Schon nahm ihr Gesicht wieder den üblichen reservierten Ausdruck an.
    „Hier entlang, bitte.“
    Obwohl Lucy einen Kopf kleiner war als er, hielt sie auf dem Weg zum Arbeitszimmer mühelos mit ihm Schritt. Von ihrem selbstbewussten Auftreten konnte sich jeder Geschäftsmann eine Scheibe abschneiden.
    Domenico bot ihr einen Sessel an, doch sie blieb stehen und sah sich zwischen Bücherregalen und Fensterfront um, als würde sie nach dem Notausgang suchen – den es nicht gab.
    Statt in der Sitzecke am Kamin, wie er ursprünglich vorgehabt hatte, nahm Domenico an seinem Schreibtisch Platz.
    Lucy Knight trat unerschrocken auf ihn zu. „Also, warum haben Sie mich hergebracht?“
    „Um mit Ihnen zu reden.“
    „Die Chance hätten Sie vor fünf Jahren gehabt, aber da schienen Sie nicht besonders erpicht darauf, unsere Bekanntschaft zu erneuern.“
    Aus dem scheuen Mädchen von damals war eine mutige Amazone geworden.
    „Und um Sie von den Medien fernzuhalten“, ergänzte Domenico.
    „Es war also keine uneigennützige Rettungsaktion.“
    „Hatten Sie das erwartet?“
    „Nein.“
    Er wusste selbst nicht, warum ihre feindselige Haltung ihn kränkte. Die Illusion von dem blonden Unschuldsengel hatte sie ihm doch längst geraubt!
    „Bitte, nehmen Sie Platz.“
    „Danke, ich stehe lieber.“ Das Wort danke kam ihr nur schwer über die Lippen. „Wie lange wollen Sie mich hierbehalten?“
    Domenico behielt seinen Plan vorerst für sich, um keine
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