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Verführung Der Unschuld

Verführung Der Unschuld

Titel: Verführung Der Unschuld
Autoren: Lilly Grünberg
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Das
ganze Interesse seiner Frau Teresa galt der Erziehung der fünf Kinder zwischen zwei und
fünfzehn Jahren, drei Mädchen und zwei Jungen. Teresa war eine strenge Mutter und eine
sparsame Hausfrau. Dementsprechend war das Mobiliar schon älter und sehr gediegen. Im
Gegensatz zu Onkel Bruno, der gerne laut und herzlich lachte, sah man Tante Teresa
allenfalls dezent lächeln, aber niemals offen herauslachen oder gar ausgelassene Fröhlichkeit
versprühen.
Angesichts des knappen Wohnraums war Teresa über die Ankündigung ihres Mannes, dass
seine Nichte Giulia vorläufig bei ihnen leben und arbeiten würde, alles andere als begeistert.
Sie kannte Giulia nur als verzogenes und flippiges Mädchen, das am liebsten in knappen Tops
und kurzen Röcken herumlief und dafür ihr gesamtes, obgleich spärlich bemessenes
Taschengeld ausgab. Sie konnte sich daher nicht vorstellen, wie ihr Mann aus ihr eine fleißig
arbeitende – und sich möglichst auch noch anständig benehmende – junge Dame machen
wollte. Schulterzuckend hatte sie zur Kenntnis genommen, dass die Entscheidung darüber
längst gefallen war.
Ihre Begrüßung fiel entsprechend frostig aus. Sie schüttelte Giulia nur leicht die Hand ohne
sie zu umarmen und ging ihr dann voraus nach oben, um ihr das Zimmer zu zeigen, sofern
man die schäbige Kammer überhaupt als ein solches bezeichnen konnte.
Im ersten Stock des alten Bürgerhauses befanden sich Wohnzimmer und Küche,
Schlafzimmer der Eltern und ein kleines Bad, im zweiten Stock ein weiteres Bad und drei
Kinderzimmer, von denen eines die beiden Jungs, ein weiteres die beiden jüngeren Mädchen
und das dritte die älteste Tochter bewohnte. Der einzige freie Platz für einen zusätzlichen
Mitbewohner befand sich unter dem Dachspitz, der in einen Bereich zum Wäscheaufhängen
und ein davon abgetrenntes Zimmer gegliedert war. Dieses glich jedoch eher einer
Rumpelkammer als einem richtigen Wohnraum, da die nutzbare Fläche durch die bis zum
Fußboden hinabreichende Dachschräge zusätzlich begrenzt, und mit allem möglichen Unrat
zugestellt war.
Jetzt war sich Giulia endgültig darüber im Klaren: es würde furchtbar werden! Ihr schönes
Leben war vorbei, endgültig vorbei. Cosi e la vita!
Das Mobiliar bestand aus einem Bett, einer Schubladenkommode und zwei
Kleiderschränken, von denen man einen für Giulia frei geräumt hatte. Dazwischen konnte
man sich gerade mal um die eigene Achse drehen. Überall stapelten sich prall gefüllte Kisten,
darauf lose geschichtete Spielsachen, mit denen wohl niemand mehr spielen wollte. An einem
Haken an der Wand hingen aussortierte Kleidungsstücke, über die durchsichtige Hüllen
gestülpt waren. Über allem hing der beißende Geruch von Mottenkugeln in der Luft.
»Es tut mir leid, aber etwas Besseres kann ich dir nicht anbieten. Wir haben ja selbst kaum
genug Platz für uns«, erklärte Tante Teresa kühl. »Ich lass dich jetzt alleine, damit du deine
Sachen auspacken kannst. Ich nehme an, dass du dazu wenigstens fähig bist.« Sie wartete
Giulias Antwort nicht ab, drehte sich um und ging.
Als erstes riss Giulia das Gaubenfenster auf, schnappte nach frischer Luft und sah hinaus.
Aber die Aussicht war nicht weniger armselig als ihr Zimmer. Außer Dächern und
Schornsteinen gab es nichts zu sehen. Mutlos setzte sie sich auf die Bettkante. Die geblümte
Bettwäsche war rau und fast geruchslos, wie sie feststellte, als sie an dem Kissen roch. Tante
Teresa hielt offensichtlich nichts von duftenden Weichspülern.
Heimweh überkam Giulia. Wenn ihre Mutter wüsste, wie sie hier hausen musste! Bei den
seltenen Verwandtenbesuchen waren sie nur immer bis ins Wohnzimmer gekommen. Sie
seufzte. Bei Mama war immer alles aufgeräumt und gemütlich, die Zimmer hell und
freundlich, ein Duft von Frische und Schnittblumen erfüllte die Räume. Niemals würde sie
diese fürchterlichen Mottenkugeln verwenden, die aus einem anderen Jahrhundert stammen
mussten! Wo Tante Teresa dieses Zeug wohl her hatte? Es gab doch längst fortschrittlichere
Mittel im Handel, um lästiges Ungeziefer abzuhalten, beispielsweise angenehm riechende
Sandelholzstäbchen!
Giulia wurde in diesem Augenblick schmerzlich bewusst, was sie aufgegeben hatte, und
daran war nur sie alleine schuld. Und wer wusste schon, welche hässlichen Überraschungen
noch auf sie warteten! Sie presste die Lippen zusammen. Mit Tränen in den Augen räumte sie
ihren Koffer und ihre Tasche aus.
Eine halbe Stunde später rief Tante Teresa zum
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