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Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)

Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)

Titel: Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
Autoren: Inge Löhnig
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stutzte er und blieb stehen, drehte den Kopf, als ob er lauschte, und tauchte dann zögernd in den Schatten einer Betonmauer. Weg war er, wie verschluckt. Was machten die Leute nachts auf Baustellen?
    Ricarda gähnte. Es war Zeit, schlafen zu gehen. Sie schob den Stuhl zurück und stand auf.
    Etwas knallte. Ein Schuss!
    Erschrocken fuhr sie herum und beugte sich über die Brüstung. Ihr Herz klopfte wie rasend. Doch augenblicklich war es wieder still. Kein Schrei. Keine sich hastig entfernenden Schritte. Keine Bewegung. Unsicher stolperte Ricarda in die Wohnung. Ihre Hand bebte, als sie nach dem Telefon griff. Die Notrufnummer wollte ihr nicht einfallen. Einser und Nullen. Doch wie viele und in welcher Reihenfolge? Sie starrte auf das Mobilteil in ihrer Hand. Was sollte sie sagen? Da schießt jemand.
    War das wirklich ein Schuss gewesen? Schließlich hatte sie nie einen gehört. Außer in Filmen natürlich. Zögernd legte sie das Telefon zurück in die Ladeschale und ging wieder hinaus. Irgendwo schlug eine Autotür. Ein Motor wurde gestartet. Aus der Straße, die hinter dem Rohbau vorbeiführte, bog ein Lieferwagen in den Kreisverkehr. Ziemlich schnell. Er nahm die Kurve zu eng. Scheppernd touchierte er das Vorfahrtsschild und fuhr weiter. Es blieb weiterhin ruhig. Niemand rief nach der Polizei. Keine heulenden Sirenen, keine zuckenden Blaulichter. Es war nichts passiert.
    Kurz nach eins ging sie endlich zu Bett. Aber sie konnte nicht schlafen, wälzte sich unruhig hin und her. Das war doch ein Schuss gewesen. Der Junge war nicht wieder herausgekommen. Ich sollte endlich die Polizei rufen, dachte Ricarda Nowotny. Beim Aufstehen wurde ihr schwindlig. Haltsuchend tastete sie sich an der Wand entlang zum Telefon.

2
    Kurz nach vier gab es einen Platzregen, der die Party an der Isar schlagartig beendete. Mika flüchtete mit Lukas unter die Reichenbachbrücke, während die anderen zur Trambahnhaltestelle in der Eduard-Schmid-Straße liefen. Die Isar rauschte. Der Regen prasselte. Das Licht der Laternen erhellte die Finsternis unter der Brücke nur dürftig. Im Augenwinkel bemerkte Mika eine Bewegung und fuhr herum. Ein Penner saß von Tüten und Bündeln umgeben auf einem Schlafsack. Struppige Haare wie ein Wolf. »Schleichts euch. Des is mei Platz.« Schnaufend stand er auf. Schützend stellte Lukas sich vor Mika und zog eine Flasche Tegernseer aus der Tasche seines bodenlangen schwarzen Mantels. »Ist ja gut. Fünf Minuten. Bis der Regen vorbei ist. In Ordnung?«
    Abwägendes Kopfgewackel. »Guad. Des is a G’schäft.« Die Augen des Mannes bekamen einen gierigen Glanz, als er sich die Flasche schnappte. Der Kerl war ihr unheimlich, und er stank wie nie gewaschen. Mika atmete flach. Sie wollte hier weg. Egal, ob sie in ihrer dünnen Bluse und den sündteuren Peter-Jensen-Shorts nass bis auf die Haut wurde. Der Penner verzog sich auf seinen Platz.
    »Komm, lass uns gehen.«
    »In ein paar Minuten ist das Schlimmste vorbei. Besser, wir warten solange.« Lukas senkte den Kopf. Sie mochte seine hellen Augen, seine einfühlsame Art. Nur seinen Kleidungsstil fand sie ziemlich daneben. Gab es Gothic-Emos? Wenn ja, dann traf diese Bezeichnung bei ihm wortwörtlich ins Schwarze. »Der lässt uns in Ruhe. Jedenfalls solang er mit dem Bier beschäftigt ist.«
    »Das kann ja nicht lange dauern.«
    Nach einigen Minuten ebbte die Sintflut tatsächlich ab, wurde zu einem Vorhang feiner Regenfäden. Mika griff nach Lukas’ Hand. »Zeit, zu verschwinden.«
    Sie liefen die Böschung hoch, über den Weg bis zur Trambahnhaltestelle und stellten sich atemlos unter. Die anderen waren schon weg. Vermutlich hatten sie ein Taxi angehalten; um diese Zeit fuhren weder Tram noch S-Bahn.
    Mikas Monatsbudget war verbraucht. Eine Taxifahrt also nicht drin. Einen Moment überlegte sie, ihre Mam anzurufen, damit die sie hier abholte. Für Saskia wäre das kein Problem. In ihren Augen war Mika noch immer das kleine Mädchen, das man behüten und beschützen musste, und nicht die Tochter, die gerade Abi gemacht hatte und im Mai volljährig geworden war. Doch seit einigen Monaten setzte Mika ihrer Mutter Grenzen. Und die wollte sie jetzt nicht aus Bequemlichkeit aufgeben. Um Viertel nach fünf fuhr die erste S-Bahn. Bis dahin mussten sie die Zeit irgendwie rumkriegen.
    Lukas unterbrach ihre Gedanken. »Wir könnten zu Fuß heimgehen.« Die schwarzen Haare fielen ihm ins Gesicht und verdeckten eines der dunkel umrandeten Augen. »Erstes Vogelgezwitscher
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