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Verdammt wo ist der Braeutigam

Verdammt wo ist der Braeutigam

Titel: Verdammt wo ist der Braeutigam
Autoren: Nicola Holzapfel
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Engagierten. Das liegt an ihrem ausgeprägten Verantwortungsgefühl. Leonore wollte eine gute Trauzeugin sein. Ach was, die beste. Von dem Moment an, als Simone ihr dieses Amt übertragen hatte, betrachtete Leonore Simones Auserwählten mit völlig anderen Augen. Sie wurde sehr kritisch. War Werner wirklich der Richtige? Leonore begann, ihn zu bewerten und für sein Tun und Lassen Punkte zu verteilen.
    Als einmal alle bei uns abends zum Essen waren, stellte Leonore fest, dass Werner einen guten Appetit hatte. War da nicht schon ein Bauchansatz zu erkennen? (Dafür erhielt er einen halben Minuspunkt.) Er half beim Geschirr (zwei Pluspunkte). Er flirtete mit einer anderen Freundin, die auch eingeladen war (zehn Minuspunkte). Es gelang ihm nicht, mein kaputtes Telefon zu reparieren (fünf Minuspunkte). Werner manövrierte sich, ohne es zu wissen, in eine ziemlich schwierige Lage hinein.
    Zugleich ging jedoch Simone zunehmend in der Rolle der zukünftigen Ehefrau auf. Ich sah eine Katastrophe nahen. Leonore war nicht mehr zurückzuhalten. Werner war auf ihrer Beurteilungsskala in die tiefste Minuszone gerutscht und als Ehemann nicht mehr geeignet. Sie wollte nun unbedingt ein Gespräch mit Simone führen und bat mich, dabei zu sein. Widerwillig und etwas ratlos ob dieser schwierigen Situation lud ich beide zu einem Frauenabend ein. Bei einem Glas Rotwein saßen wir in der Küche. Vorsorglich hatte ich eine Packung Taschentücher bereitgelegt.
    Leonore ist eher der direkte Typ, aber bei dieser heiklen Aufgabe nahm sie sich offenbar das diplomatische Geschick des gesamten Außenministeriums zum Vorbild.
    Sie verpackte die unangenehme Message in ein Kompliment: »Das finde ich echt bewundernswert, dass du nichts dagegen hast, wenn Werner flirtet.«
    »Wie meinst du das?«
    Nun setzte sie ein Merkel-Gesicht auf, um deutlich zu machen, dass in der Politik wie in der Freundschaft manchmal auch Unangenehmes verkündet werden muss und sagte: »Er lacht so viel, mit Caro zum Beispiel.«
    »Die verstehen sich eben«, sagte Simone und hängte ohne Atempause die Frage an: »Ob ich wohl einen Visagisten für die Hochzeit bestellen soll?«
    Leonore seufzte tief und verstand endlich: Simone wollte sich die Augen nicht öffnen lassen. Da brauchte sie jetzt gar nicht erst mit Werners Bauchansatz und nicht vorhandenen handwerklichen Fähigkeiten anfangen. Simone wollte heiraten. Punkt. An diesem Tag vernichtete ich Leonores Minusliste. Ich verbrannte sie in der Spüle.
    Fortan ergab sich Leonore ihrem Schicksal und unterstützte Simone mit Verve bei den Hochzeitsvorbereitungen. Während Simone glücklich und dankbar war, erkannte ich an Leonore: Trauzeuge zu sein gehört zu den letzten großen Herausforderungen des modernen Menschen. Du brauchst dafür nicht nur das diplomatische Geschick eines Politikers, sondern auch die Leidensfähigkeit Griechenlands und die überzeugende Strahlkraft eines falschen Stefan-Raab-Grinsens.
    Zu meiner – und vor allem zu Leonores – Überraschung wurde es ein schönes Fest. Und das Beste: Simone und ihr Mann sind heute noch verheiratet und glückliche Eltern eines pfiffigen Mädchens. Würde Leonore heute wieder eine Liste über Werner erstellen, er wäre so weit im Plusbereich, dass er die Skala nach oben sprengen würde. »Wehe, denen fällt ein, sich scheiden zu lassen«, sagt Leonore jetzt und tut so, als wäre sie schon immer von Werners Qualitäten als Ehemann überzeugt gewesen.
    Die unschöne Erfahrung, dass die Ehe, die sie bezeugt haben, nicht hält, machen leider viele Trauzeugen. Die häufigste Antwort auf die Frage »Warst du mal Trauzeuge?« ist: »Ja, aber die Ehe ist schon wieder geschieden.« Darauf folgt ein langes Seufzen, als könnte der Trauzeuge etwas dafür.
    Ist es nicht ungerecht, dass Trauzeugen zur Heirat dazugebeten werden, aber bei der Scheidung nichts zu melden haben? Sie haben kein Recht, sie zu verhindern, keine Möglichkeit zu widersprechen, sie werden nicht einmal vom Anwalt angehört. Korrekt wäre, von den Eheleuten eine 60-stündige Eheberatung oder einen zweiwöchigen Ehe-Kitt-Urlaub gemeinsam mit ihren Trauzeugen zu verlangen, bevor sie ihren Scheidungsantrag einreichen dürfen. Vielleicht würden sich die Brautpaare dann auch mehr Gedanken darüber machen, auf welche Trauzeugen sie sich einlassen. Leonore, so viel ist klar, würde eine Trennung von Simone und Werner niemals durchgehen lassen.
    Ganz anders die resignierten Trauzeugen. Sie seufzen bereits vor der
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