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Verdammt wenig Leben

Verdammt wenig Leben

Titel: Verdammt wenig Leben
Autoren: Ana Alonso , Javier Pelegrin
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insgeheim wünschte. Sie war wie eine barmherzige Göttin gegenüber ihrem kleinen, unbedeutenden Geschöpf: großzügig und selbstlos. Passenderweise erinnerte die virtuelle Maske, die sie ihm gegenüber benutzte, an eine antike griechische Göttin. Aber Jason wusste natürlich, dass das nicht ihr wahres Gesicht war.
    »Und Alice?«, fragte er vorsichtig. »Freut sie sich?«
    Paul hob die Augenbrauen, als fände er die Frage absurd.
    »Ob sie sich freut?«, wiederholte er. »Na klar, sie ist begeistert! Sie hatte zwei Monate Flaute, praktisch seit sie in deiner Sendung aufgehört hat. Für sie ist das hier die Rettung … Glaub mir, als ich ihren Agenten angerufen habe, hat er vor Glück geweint.«
    Pauls Übertreibungen waren wie üblich ein plumper Versuch, seine mangelnde Aufrichtigkeit zu überspielen. Jason wusste, dass Alice nicht viel gearbeitet hatte, nachdem sie seine Sendung verlassen hatte, in diesem Punkt belog sein Agent ihn also nicht. Aber sein Zögern bei der Wortwahl ließ vermuten, dass er etwas verschwieg. Und er selbst kannte Alice gut genug, um sich zu denken, worum es ging. Bestimmt hatte es harte Verhandlungen gegeben, bevor sie den neuen Vertrag unterschrieben hatte. Die Details würde er nie erfahren, dabei brannte ihm die Frage danach auf der Zunge. Was hatte sie wohl gefordert, eine Verbesserung ihrer Konditionen? Eine größere Rolle? Oder hatte sie gezögert, weil ihr ganz einfach die Vorstellung zuwider war, wieder seine Freundin zu sein?
    Aber es gab auch die Möglichkeit, das Thema indirekt anzusprechen.
    »Wie viel hat der Produzent für die Aktion hinblättern müssen?«, fragte er. »Wenigstens das kannst du mir doch sagen.«
    Zwischen Pauls Augenbrauen bildeten sich zwei steile Falten.
    »Ein Vermögen«, gab er zu. »Aber das holen sie gleich heute Abend wieder rein, du wirst schon sehen.«
    »So viel hat sie verlangt?«
    Jasons Stimme hatte gekränkt geklungen und Paul merkte es.
    »Alice tritt für ihre Interessen ein wie jeder andere auch. Aber es wird Gegenleistungen geben. Mehr Liebe, mehr Intimszenen … Du weißt schon, was ich meine.«
    Ja, natürlich wusste Jason das. Auf einmal hatte er einen Kloß in Hals. Das war ihm peinlich und so wechselte er schnell das Thema.
    »Hast du mit Minerva gesprochen? Wann schickt sie mir das Skript?«
    Ihm schien, als würde ein Anflug von Sorge durch Pauls helle Augen zucken.
    »Ich habe sie nicht erreicht, aber ihre Sekretärin hat mir zugesichert, dass das Drehbuch am frühen Nachmittag bei dir ist.«
    »Nicht gerade viel Zeit, um es zu lernen.«
    »Du wirst es ausgezeichnet machen, wie immer. Da bist du doch in deinem Element. Mach dir keine Sorgen, dafür hast du schließlich mich. Bereite dich nur gedanklich schon mal auf den Wechsel vor, wie Minerva es dir beigebracht hat.«
    »Es wäre gut, wenn ich vor der Aufnahme mit ihr sprechen könnte. Sie gibt mir immer nützliche Tipps.«
    »Sie ruft dich heute Nachmittag an, bestimmt. Also, Jason, ich hoffe, du bist zufrieden.«
    Paul war es nicht, trotz seines bemühten Lächelns. Nach wie vor verschwieg er etwas, aber Jason begriff, dass jetzt nicht der richtige Moment war, noch weiterzubohren. Auf ihn wartete eine Menge Arbeit, und je eher er sich daranmachte, desto besser.
    »Ich bin zufrieden, ja«, bestätigte er. »Ein bisschen unruhig, bis ich das Skript sehe. Aber das ist immer so.«
    Diesmal war das Lächeln seines Agenten nicht aufgesetzt.
    »Du hast recht. Bevor sich der Vorhang hebt, fühlt der Schauspieler sich immer unsicher. Lampenfieber eben … Aber alles wird gut gehen. Viel Glück, Jason. Ich rufe dich morgen an, um dir zu gratulieren.«
    Pauls Hologramm verflüchtigte sich zu rötlichem Dunst. Jason ging langsam zum Fenster und zog den Vorhang ein Stück auf. Ein Luftschiff fuhr gerade an seinem Gebäude vorbei, mit so majestätischer Langsamkeit, als wollte es die glitzernde Bemalung seines Rumpfs zur Schau stellen.
    Alice, dachte er. Ich kann es noch gar nicht glauben …
    Aber es stimmte. Noch heute Abend würde er sie sehen. Er würde sie wieder in den Armen halten und diesmal würde er erreichen, dass ihre Hingabe echt war, dass sie ihn liebte, dass sie dasselbe für ihn empfand wie er für sie – und sei es nur in den zwei Stunden, die die Sendung dauerte.

    Während er mit der Zubereitung des Mittagessens begann, dachte er an Minerva. Es war wirklich eigenartig, dass sie sich noch nicht bei ihm gemeldet hatte. Tinkerbell, seine Hausroboterin, flatterte
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