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Verborgene Macht

Verborgene Macht

Titel: Verborgene Macht
Autoren: Gabriella Poole
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näherte. Eine Sekunde lang sah sie Bedauern und Mitleid in seinem Gesicht, dann verhärteten seine Züge sich.
    »Halten Sie still. Das ist die einzige Möglichkeit. Wir tun das zu Ihrem eigenen Wohl, Cassandra.« Sir Alrics Stimme war durch und durch kalt, als er sich über sie beugte. Sie wand sich noch immer und trat um sich. »Und zum Wohl aller anderen.«
    Sie spürte, wie er mit dem Daumen über eine Stelle an ihrem Arm rieb, und dann das heiße Brennen der Nadel.
    Einen Moment fürchtete Cassie, dass sie hingerichtet worden war. So musste es sich anfühlen. Ein heftiger Strom durchlief sie und machte sie auf solch wilde Weise lebendig, dass sie nicht mehr klar denken konnte. Kälte raste durch ihre Adern, schnell gefolgt von Hitze - und Kraft. Sie schüttelte Marats Hände ab und sprang auf, die Fäuste geballt, die Muskeln so angespannt, dass ihr Körper ganz steif war. Der schreckliche, reißende Hunger war verschwunden. Dafür sah sie jetzt nur noch Nebel und vor ihren Augen tanzten Punkte. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel abermals auf das Ledersofa. Sie presste die Augen fest zu, um wieder klar sehen zu können ...
    Als sie sie wieder öffnete, saß Sir Alric ihr in einem Sessel gegenüber, die Fingerspitzen hatte er aneinandergelegt und sein Kinn darauf gestützt. Marat und die kleine Truhe waren verschwunden.
    »Also, Cassandra. Wie fühlen Sie sich?«
    Die Erinnerung explodierte in ihrem Kopf. Wütend richtete sie sich auf. »Was war das für ein Zeug? Sagen Sie mir, was es war!«
    Er ließ sich von ihrem Zorn nicht beeindrucken. »Es handelt sich um eine destillierte Lösung. Von den Tränen der ersten Auserwählten vor tausend und mehr Jahren. Glauben Sie nicht, dass ich sie jedem anbiete. Schätzen Sie sich glücklich. Die Lösung ist extrem machtvoll.«
    Cassie holte tief Luft, während sie diese Neuigkeit verdaute. Also keine Drogen. Kein Gift.Vielleicht etwas, das ihr helfen konnte...
    »Also kann ich das stattdessen tun? Mir dieses Zeug spritzen, statt mich von anderen Leuten zu nähren?« Ihre Augen leuchteten auf, als heiße Erleichterung sie durchfuhr.
    »Nein«, sagte Sir Alric schroff. »Das war eine Ausnahme. Was Sie in der Kiste gesehen haben, ist alles, was noch übrig ist. Es kommt nicht infrage, dass Sie alles bekommen. Sie werden lernen, sich zu nähren. Genau wie wir Übrigen.«
    Die Verzweiflung kehrte mit doppelter Wucht zurück, zerschmetterte ihre flüchtigen Hoffnungen.
    Sir Alric nutzte ihr betroffenes Schweigen und stand auf. »Sie dürfen den Geist, der in Ihnen ist, nicht aushungern, Cassandra. Ohne diese Tränen hätten sie bald einen Krisenpunkt erreicht. Wenn das Verlangen, sich zu nähren, zu stark wird, werden Sie die Kontrolle verlieren und jemanden angreifen. Diese Person könnte verletzt oder sogar getötet werden. Und es kann jeden treffen.« Er machte eine Pause, um seinen Worten einen grausamen Nachdruck zu verleihen. »Auch Isabella oder Jake.«
    »Das wusste ich nicht«, stieß sie hervor. »Das war mir nicht klar.«
    »Natürlich nicht«, erwiderte Sir Alric ein wenig sanfter. »Dazu ist die Akademie da, Cassandra. Es ist meine Pflicht, jedes neue Mitglied der Auserwählten zu lehren, wie es sich nähren kann, ohne dass es eine Gefahr für sich selbst oder seine Umgebung darstellt. Wenn die Zeit kommt, werde ich für Sie das Gleiche tun. Aber für den Augenblick hat Ihnen die Injektion eine Atempause verschafft. Das haben Sie gebraucht. Also werde ich noch einmal fragen: Wie fühlen Sie sich?«
    »Besser«, gab Cassie zu. »Viel besser. Kann ich jetzt gehen?«
    »Natürlich. Ihre Freunde werden sich schon Sorgen machen.«
    »Sie stehen vor der Tür. Sie haben gesagt, dass sie warten werden.«
    Sir Alric lächelte. »Ich fürchte, Sie haben den größten Teil des Vormittags geschlafen, Cassandra«, sagte er trocken. »Ihre Freunde sind vor mehr als zwei Stunden gegangen. Ich habe ihnen erklärt, dass Sie Ruhe brauchen, obwohl Mr Johnson sich nicht so leicht hat überzeugen lassen. Ich nehme an, sie werden jetzt unten in ihren Zimmern sein. Sie haben viel mit ihnen zu besprechen.« Er hielt inne. »Vor allem mit Miss Caruso.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Cassie, deren Stimme plötzlich angespannt klang.
    »Cassandra, Ihr Durchhaltevermögen erstaunt mich. Sie haben weit länger gegen den Hunger angekämpft, als ich erwartet hätte. Aber jetzt haben Sie nicht länger den Luxus der Wahl. Es sei denn vielleicht in einer Hinsicht.«
    »Wie meinen Sie das?«
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