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Verblendung

Verblendung

Titel: Verblendung
Autoren: Stieg Larsson
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Essen in guter Gesellschaft entspannen würde. Aus diesem Versprechen wurde allerdings überhaupt nichts, und der Segeltörn hatte sich zu einer weit größeren Katastrophe ausgewachsen, als er sich hätte träumen lassen. Obwohl sie die schöne, aber wenig dramatische Strecke ab Bullandö über die Furusund-Route eingeschlagen hatten, war die neue Freundin sofort seekrank geworden. Ihre Schwester hatte angefangen, mit ihrem Freund zu streiten, und keiner von ihnen zeigte auch nur das geringste Interesse daran, ein paar Segelkenntnisse zu erwerben. Wie sich bald herausstellte, erwartete man von Mikael, dass er sich um das Boot kümmerte, während ihm die anderen gute, aber größtenteils nutzlose Ratschläge gaben. Nach der ersten Übernachtung auf Ängsö war er so weit, dass er in Furusund anlegen und den ersten Bus nach Hause nehmen wollte. Nur das verzweifelte Flehen seines Freundes hatte ihn bewogen, an Bord zu bleiben.
    Am nächsten Tag gegen zwölf Uhr, früh genug, um noch ein paar freie Plätze zu finden, hatten sie das Boot auf Arholma an der Anlegestelle für Besucher festgemacht. Sie hatten gerade zu Mittag gegessen, als Mikael eine gelbe M-30 bemerkte, die nur das Großsegel gesetzt hatte und langsam in die Bucht glitt. Das Boot machte eine ruhige Drehung nach Luv, während der Skipper nach einem Platz an der Landungsbrücke Ausschau hielt. Mikael sah sich um und stellte fest, dass der Platz zwischen ihrer Scampi und einem H-Boot auf der Steuerbordseite vermutlich die einzige verbliebene Lücke war. Die schmale M-30 würde dort gerade noch hineinpassen. Er stand auf und gab ein Zeichen; der Skipper der M-30 hob die Hand, um sich bei ihm zu bedanken, und hielt auf die Landungsbrücke zu. Ein Einhandsegler, der sich nicht die Mühe machen wollte, den Motor anzuwerfen, sagte sich Mikael. Er hörte das Rasseln der Ankerkette, und wenige Sekunden später wurde das Großsegel eingeholt, während der Skipper nur so hin und her flitzte, um gleichzeitig das Ruder gerade zu richten und am Vordersteven ein Tau für das Anlegemanöver vorzubereiten.
    Mikael kletterte auf die Reling und streckte eine Hand aus, um zu signalisieren, dass er das Tau entgegennehmen konnte. Der Neuankömmling nahm eine letzte Kursänderung vor und glitt perfekt, in ganz langsamer Fahrt, ans Heck der Scampi heran. Erst als der Skipper Mikael den Tampen zuwarf, erkannten sie einander und brachen in lautes Gelächter aus.
    »Hallo, Robban!«, rief Mikael. »Warum schmeißt du nicht den Motor an, dann schrammst du nicht allen Booten im Hafen den Lack ab.«
    »Hallo, Micke! Dachte ich mir doch, dass du mir irgendwie bekannt vorkommst. Und den Motor würde ich ja gerne anmachen, wenn ich ihn in Gang kriegen könnte. Das Biest ist mir vor zwei Tagen bei Rödlöga endgültig abgestorben.«
    Sie schüttelten sich über die Reling hinweg die Hand.
    Vor ewigen Zeiten, in den siebziger Jahren, waren Mikael Blomkvist und Robert Lindberg am Kungsholmer Gymnasium Freunde gewesen, sogar sehr gute Freunde. Doch wie es so oft mit alten Schulkameraden geht, war die Freundschaft nach den Abschlussprüfungen zu Ende. Sie waren getrennte Wege gegangen und hatten sich in den letzten zwanzig Jahren höchstens fünf oder sechs Mal getroffen. Als sie sich unerwartet auf der Landungsbrücke von Arholma begegneten, hatten sie sich schon mindestens sieben oder acht Jahre nicht mehr gesehen. Jetzt musterten sie einander neugierig. Robert war braun gebrannt, sein Haar war verfilzt, und wie man an den Bartstoppeln sehen konnte, hatte er sich seit Wochen nicht mehr rasiert.
    Mikaels Laune hellte sich plötzlich bedeutend auf. Als der Pressetyp und sein einfältiges Gefolge aufbrachen, um beim Kaufladen auf der anderen Seite der Insel um den Maibaum zu tanzen, war er bei Hering und Schnaps auf der M-30 geblieben, um mit seinem Schulkameraden über Gott und die Welt zu quatschen.
     
    Irgendwann im Laufe des Abends, als sie den Kampf gegen die berüchtigten Mücken von Arholma aufgegeben hatten und in die Kajüte gegangen waren, hatte sich das Gespräch nach einer beträchtlichen Anzahl von Schnäpsen in eine freundschaftliche Kabbelei über Moral und Ethik in der Geschäftswelt verwandelt. Beide hatten sich für Karrieren entschieden, die irgendwie mit der schwedischen Finanzwelt zu tun hatten. Robert Lindberg war nach dem Abitur auf die Handelshochschule gegangen und danach ins Bankgeschäft eingestiegen. Mikael Blomkvist war auf der Journalistenschule gelandet und hatte
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